1. Jesus und die Pharisäer
In 1. Kor. 12,10 ist von der Gabe der Geisterunterscheidung die Rede, nicht aber von der Gabe, Lehren zu unterscheiden. Wiederholt führte Jesus Lehrgespräche mit den Pharisäern. Jesus und die Pharisäer waren darin einig, daß Mose die Mosebücher geschrieben hat (Joh. 5,46), daß Adam und Eva historische Personen waren (Matth. 19,4), daß es eine Auferstehung der toten gibt, daß die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die größten Gebote sind (Luk. 10,27) und daß der Sabbat zu halten ist. Jesu Übereinstimmung mit der Lehre der Pharisäer zeigt sich auch in folgenden Worten: „Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln (Matth. 23,3). Jesus formuliert keinen „Status Controversiae“, er stellt keine Liste der Irrlehren auf, denn die Abweichungen vom Gotteswort haben nicht ihre Ursache in intellektuellen Fehlleistungen. Denn wäre das der Fall, dann hätte Jesus den Pharisäern das Gotteswort dargelegt. Und da Jesus im Unterschied zu uns allen kein Stümper in der Wortverkündigung war, hätten seine zwingenden Gedankenketten zur vollen Glaubenseinheit geführt.
In der Öffentlichkeit des Tempels entlarvt Jesus die üble Gesinnung der Pharisäer, deren anderen Geist. Diese üble Gesinnung, die die Quelle aller Bosheit ist, ist der eigentliche Unterschied zu Jesus. Irgendwelche eventuell vorhandene einzelne Irrlehren sind lediglich mit einzelnen Blättern an einer Unkrautpflanze vergleichbar. Solange die Wurzel unangetastet bleibt, werden immer neue Blätter nachwachsen. Jesus gebraucht das Bild vom Baum und den dazugehörenden Früchten. Doch Äpfel können auch am Weihnachtsbaum hängen. „Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden“ (Matth. 23,5).
Äußerlich hatten sie das Gesetz genauestens befolgt, indem sie auch den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel gaben; doch sie ließen das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben (Matth. 23,23). Sie hatten die Mücken ausgesiebt, aber die Kamele verschluckt. „Von außen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber innen seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit“ (Matth. 23,24-28). Indem sie Minze, Dill und Kümmel verzehnteten, entstand der Eindruck großer Gesetzestreue, in Wirklichkeit waren sie aber gesetzlos. Über Einzelheiten wäre eine theologische Disputation möglich gewesen, ein einzelnes Blatt hätte an der Unkrautpflanze vielleicht entfernt werden können, nicht aber die Wurzel des Unkrauts. Irgendein Mangel am Heiligenschein wäre vielleicht korrigierbar gewesen, nicht aber die innere Heuchelei und Gesetzlosigkeit.
2. Lehren für uns
Aus Jesu Kritik an den damaligen Pharisäern werden keine Lehren gezogen, weil sich damals das Bestreben nach Perfektion auf Werke (Minze, Dill, Kümmel) bezog, während der heutige „lutherische“ Perfektionismus Feinheiten in den Lehrformulierungen zum Gegenstand hat. Dabei wird aber verkannt, daß sich der Mensch in seiner Sündhaftigkeit nicht geändert hat. Somit muß davon ausgegangen werden, daß die von Christus aufgedeckten Sünden auch in unserer Gegenwart ihre Entsprechungen haben. Deshalb sollte es uns nicht überraschen, wenn auch orthodoxe Lutheraner vergleichbar mit den Pharisäern von außen den Menschen fromm erscheinen, innen aber ebenfalls voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit sind. Tatsachen, die die Bosheit und Heuchelei der Pharisäer entlarven, waren vor vielen Zeitgenossen Jesu verborgen. Die Heuchelei und Gesetzlosigkeit von Luther und vielen „Lutheranern“ ist in der Kirchengeschichte durchaus bekannt und wird z. B. von Heussi registriert. Doch wer weder Heussi gelesen, noch bei den gottlosen Professoren an den Universitäten studiert, noch mit Baptisten gesprochen hat, dem sind die traurigen Fakten unbekannt. Die breite Blutspur, die von Luther ausgeht, ist weder in Köhlers noch in Oettingers Kirchengeschichte erwähnt. Das kann keineswegs an der Unkenntnis der Verfasser liegen, da die Blutspur wegen ihrer Breite für jeden halbwegs Sachkundigen unübersehbar ist. So schrieb Melanchthon, daß die Obrigkeit die Wiedertäufer mit dem Schwerte strafen soll, und Luther fügt hinzu: „Placet mihi Martino Luthero“ (Corpus Reformatorum IV,737-740). Und Jesu Bergpredigt legt Luther wie folgt aus: “Denn die andern, so ohne Amt und Befehl herfahren, sind nicht so gut, daß sie falsche Propheten heißen, sondern Landstreicher und Buben, die man sollte Meister Hansen [gemeint ist der Henker] befehlen und nicht zu leiden sind (ob sie auch gleich recht lehrten), wo sie andern ins Amt und Befehl greifen wollen, wider der Obrigkeit Ordnung, oder heimlich und diebisch in Winkeln schleichen, da niemand soll ungefordert ein eigen Predigen anrichten, noch sich eindringen, ob er gleich hört und weiß, daß man öffentlich falsch predigt, als dem nicht befohlen ist dafür zu antworten. Denn GOtt hat das Amt geordnet wie andere, daß man nicht dawider handle“ (Walch2, Band 7, Sp. 627 oder WA 32, S. 507).
Bei den Gottlosen ist es gang und gäbe, daß Geschichtsschreibung zur Hagiographie verkommt. So sah ich in der DDR auf einer Abbildung im Schulbuch, wie die Sowjetarmee bei der „Befreiung“ Berlins Essen verteilt hat. In keiner DDR-Veröffentlichung war etwas Schändliches über diese Armee der barmherzigen Samariter zu lesen. Vergleichbar mit dieser beabsichtigten Schülerverdummung habe auch ich weder während meines Studiums am Seminar der Freikirche in Leipzig noch während meines Studiums in Wisconsin von Luthers Bluttaten erfahren. Am Heussi wird kritisiert, daß er die Zusammenhänge verzerrt. Doch er nennt wenigstens die Tatsachen. Doch wie will man Geschichte verstehen, wenn wichtige Tatsachen ganz bewußt unterschlagen werden? Bei den Weltmenschen geht es in der Geschichtsschreibung nicht um die Vergangenheit, sondern deren wirkliches Ziel ist, das Denken der Menschen für die Gegenwart und für die Zukunft zu manipulieren. So steht z. B. im Geschichtsschulbuch, was vor wieviel Millionen von Jahren geschehen sei. Wozu müssen die Schüler diese ferne Vergangenheit kennen, an der sie ohnehin nichts ändern können? Das pädagogische Ziel ist, sie sollen sich selbst als höherentwickelte Affen betrachten, die wie die anderen Affen sich vor keinem Gott verantworten müssen. Die Vergangenheit wird so dargestellt, daß sie das Gefühl bekommen, daß das ihre eigene Schlußfolgerung aus feststehenden Tatsachen sei. So machen es alle Gottlosen und nicht nur die Kommunisten. In Westdeutschland wurde anstatt der Sowjetarmee die USA gepriesen, die durch den Mashall-Plan den Wiederaufbau Deutschlands erheblich gefördert habe. Verschwiegen wird aber, daß die ach so edlen Amerikaner ihre eigenen Kriegsverbrechen dadurch weiterführten, daß sie nach dem Krieg sowohl Zivilisten als auch Kriegsgefangene vorsätzlich verhungern ließen, daß sie Lebensmittellieferungen aus der Schweiz unterbanden und daß die Rettung für Deutschland erst durch den Streit mit den ehemaligen sowjetischen Waffenbrüdern kam. Die geistige Verwandtschaft der Amerikaner mit den Sowjets und mit Hitler wird bewußt verschwiegen. In dem Ausmaß, in dem der Weltgeist in die Gemeinde eindringt, werden auch dort die Fakten im Interesse der eigenen Theologie zurechtgebogen. Deshalb hatten die Hohenpriester gegen besseres Wissen gelogen, Jesu Jünger hätten den Leib des Gekreuzigten gestohlen. Dagegen ist der Geist Jesu der „Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann“ (Joh. 14,17). Deshalb ist die biblische Geschichtsschreibung völlig anders, als es in der Welt üblich ist. So erfahren wir von den Sünden von Abraham, Isaak, Jakob, den 12 Patriarchen, von den Sünden des David, vom Kleinglauben der Jünger, von der Verleugnung des Petrus und vom Verrat des Judas.
Wir sind lutherisch, andere sind katholisch, wie in Korinth die einen paulisch und die anderen apollisch waren. In einem Telefongespräch mit Günter Stiff, dem Herausgeber eines katholischen Jugendmagazins, sprach ich darüber, daß bei der Hugenottenverfolgung in Frankreich die katholischen Bischöfe dem französischen König die einzelnen Verfolgungsmaßnahmen vorgeschlagen hatten. Daraufhin legte er den Hörer auf. Wahrscheinlich waren ihm diese dunklen Kapitel der Kirchengeschichte nicht bekannt. Dagegen wußte ich schon als Kind von den Bluttaten der Päpste und, daß Calvin den Servet hatte töten lassen. Dafür wußte ich aber nichts von Luthers Bluttaten, nicht einmal nach meinem Studium am Seminar der Lutherischen Freikirche in Leipzig und nach meinem Studium in Wisconsin. Bei Gesprächen an der Universität im Zusammenhang mit meiner bevorstehenden Promotion verblüffte ich mit meiner Unwissenheit; und Baptisten, mit denen ich über das Manuskript meines Taufbuches sprach, haben mich auf die „lutherische“ Blutspur hingewiesen. Anläßlich des Luthergedenkjahres 1983 hatte die Lutherische Freikirche den hagiographisch geprägten Sammelband Dem Erbe verpflichtet herausgegeben. Darin schreibt Hans-Wolf Baumann über Das Christuszeugnis in Luthers Psalmenauslegung. Natürlich erwähnt er nicht die Christusverhöhnung, die Luthers Ruf nach dem Henker bei seiner Auslegung des 82. Psalms bedeutet. Denn in einer Hagiographie würde das als Stilbruch empfunden worden sein. All diese Hagiographen verstehen sich als Kirchendiener. Das heißt, sie sind in dem Sinne „lutherisch“, wie man in Korinth paulisch oder apollisch war. Doch bei dieser Entgleisung des Konfessionalismus gerät leicht aus dem Blick, daß einen anderen Grund niemand legen kann als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor. 3, 11). Es ist bemerkenswert, daß der Apostel Paulus in dem Zusammenhang darauf hinwies, daß sich die Korinther für paulisch oder apollisch hielten.
Die Bibellehre, daß Christus das Fundament des Glaubens sein muß, haben auch Katholiken aus dem Blick verloren. Deshalb behaupten sie, Christus hätte die Kirche auf Petrus gegründet und auf dessen angebliche Nachfolger, die Päpste. Daß „Lutheraner“ diese Lehre verwerfen, bedeutet keineswegs, daß sie nicht auch in vergleichbarer Weise empfinden. Als ich bei jemandem einen Band der Werke Luthers ausleihen wollte, wurde er mir verweigert. Durch meinen Hinweis auf Luthers Entgleisungen würde ich den Glauben zerstören. Welchen Glauben würde ich zerstören? Es kann doch nur ein Götzenglaube gemeint sein, der sich auf Luther gründet anstatt auf Christus. Indem man sich für paulisch, apollisch, katholisch oder lutherisch hält, bewahrt und verteidigt man eine religiöse Identität, verliert aber Christus aus dem Blickfeld. Deshalb werden die Mücken berechtigterweise ausgesiebt, die Kamele aber verschluckt.
3. „lutherische“ Schibbolets
Die Identität der Pharisäer, denen Jesus diesen Vorwurf macht (Matth. 23,24), bestand in der Perfektion der Gesetzeserfüllung. Diese stellten sie durch das Verzehnten auch von Minze, Dill und Kümmel sicher. Dagegen besteht die Perfektion der „Lutheraner“ in der Genauigkeit der Lehrformulierungen. Und so sind die Dogmatikbücher dicker als die Bibel. Dabei wird solchen Lehraussagen größeres Gewicht zuerkannt, die für die Identität als lutherisch besonderes Gewicht haben.
Als in Preußen die Union eingeführt wurde, ging der Name „lutherisch“ verloren. Die lutherische Kirche bestünde in der Union fort. Doch da waren die Verwerfungen in den Bekenntnisschriften. Deshalb bedeutet die Union eine Abkehr von den Verwerfungen, somit von einem Teil der Bekenntnisschriften und somit von der eigenen religiösen Identität. Es kam zur Abspaltung, und die Altlutheraner wurden verfolgt. Sie verstanden sich als lutherische Landeskirche in Preußen. Bis 1947 bestand die Kirchengemeinschaft mit den Lutherischen Landeskirchen außerhalb Preußens fort. Die Bibelkritik, die auch schon vor 1947 in den Landeskirchen gang und gäbe war und die in den Bekenntnisschriften angeblich nicht verworfen werden würde, hatte die Kirchengemeinschaft nicht verhindert. Denn die Schriftfrage war kein identitätsstiftendes Schibbolet. Die Nazis formten eine Reichskirche unter Reichsbischof Müller von den Deutschen Christen, der lutherische, reformierte und unierte Kirchen angehörten. Die Altlutheraner gehörten derselben nicht an. So klug waren die Nazis, daß sie in dieser Sache keine Märtyrer schaffen wollten. Daß die lutherischen Landekirchen nun in Kirchengemeinschaft mit unierten und reformierten Landeskirchen standen, hatte aber nicht zur Folge, daß die Altlutheraner ihre Kirchengemeinschaft mit den Landeskirchen aufgekündigt hätten. Als Altlutheraner durch die Flucht in Gebiete der Lutherischen Landeskirchen kamen, schlossen sie sich denen an. Als landeskirchliche Lutheraner aus Polen in Unierte Gebiete kamen, schlossen sich viele den Altlutheranern an. Man orientierte sich an den Namen, ohne sich bewußtzumachen, daß die „Lutherischen“ Landeskirchen sowohl in Polen als auch in Deutschland nicht lutherisch, sondern bibelkritisch und auch faktisch uniert waren.
Zum Bruch der Altlutheraner mit den Lutherischen Landeskirchen kam es erst, als 1947 die EKD gegründet wurde, die noch deutlicher eine Unionskirche ist als es die Lutherischen Landeskirchen ohnehin schon waren. Erst dann kam es zum (wenn auch nur halbherzigen) Bruch. Damals ließ die Missourisynode der Lutherischen Freikirche Finanzen zukommen. Durch die Errichtung der Kirchengemeinschaft mit der Freikirche erhielten auch die Altlutheraner Zugang zu den Finanztöpfen. Als gemeinsames Lehrdokument dienten die „Einigungssätze“. Darin wurde auch die Lehre von der Schrift dargelegt. Aber die Einigungssätze enthalten keine Verwerfungen. Durch den Verzicht auf Verwerfungen wurden die Einigungssätze mehrdeutig. Man konnte sie auch in dem Sinne interpretieren, daß die in ihnen dargelegte Lehre von der Schrift lediglich eine, nicht aber die einzige zu tolerierende Auffassung sei. Man war in dem Sinne lutherisch, daß man die Mücken, gegen die sich die Bekenntnisschriften abgrenzen, aussiebt, die Kamele der Bibelkritik aber verschluckt, gegen die sich die Bekenntnisschriften angeblich nicht abgrenzen. Denn das Aussieben der Mücken ist identitätsstiftend für das Selbstverständnis als paulisch, apollisch bzw. als lutherisch. Die Kamele der Bibelkritik konnte man deshalb verschlucken, weil Christus, den man durch Bibelkritik verliert, nicht im Zentrum stand.
4. Missouri und Wisconsin
Die Verfolgung der preußischen Lutheraner begünstigte die Wiederbelebung der lutherischen Orthodoxie in Sachsen. Der Perfektionismus der lutherischen Orthodoxie in der Zeit nach Luther ist vergleichbar mit dem Perfektionismus der pharisäischen Halacha zur Zeit Jesu. Man entfaltete ein perfektes System der lutherischen Lehre. Wie die Mathematik auf Axiome aufbaut und einen Lehrsatz aus dem anderen entwickelt, so gingen Lutheraner von der unfehlbaren Schrift aus und entfalteten aus ihr ein System der „reinen Lehre“. Durch Aufklärung und Rationalismus sank das Interesse am Glaubensinhalt. Aber in der Folge des Sieges über Napoleon kam auch das Gedankengut der Aufklärung in Mißkredit, und es kam zur Erweckungsbewegung. War diese am Anfang auch nicht konfessionell, so erstarkte nach und nach das konfessionelle Bewußtsein. Das begünstigte in Preußen den Widerstand gegen die Union. Das beförderte auch außerhalb Preußens die Erregung wegen der Verfolgung der preußischen Lutheraner. Daß in Sachsen bekenntnisbewußte Lutheraner außerhalb der Landeskirche eigene Gemeinden bildeten, war in den 1840er Jahren nicht erlaubt. Deshalb kam es zur Stephanschen Auswanderung nach Missouri. So kam die in Deutschland wiedererwachte lutherische Orthodoxie nach Amerika. Das gilt auch für deren Entgleisungen. Wie Pharisäer mit toten Lehrformeln der Halacha hantierten, so jonglierten orthodoxe Lutheraner mit den Paragraphen der „reinen Lehre“. Beide dachten nicht von der Exegese her. Das Gotteswort lebte nicht in ihnen. Deshalb ließen die Pharisäer bei ihrer Perfektion, die sich im Verzehnten von Minze, Dill und Kümmel auswirkte, das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben. Die Auswirkungen bei den „Lutheranern“ sollten sich in Amerika zeigen.
Um 1890 wurde der Staat Wisconsin besiedelt. Die Gemeindeglieder der Wisconsinsynode kamen aus den deutschen Landeskirchen, und die Wisconsinsynode hatte einen entsprechenden Charakter. In ihr gab es Gläubige, die ihren Heiland lieben, aber auch den Sauerteig der Bibelkritik. Dann erhielt Wisconsin eine Prägung durch Missouri mit seinem System der „reinen Lehre“. Wer hat mehr „reine Lehre“, ein Tonbandgerät, das die Bibellehre fehlerfrei darlegt, oder eher ein Bibelleser, der seinem Heiland nachfolgen will, dem aber noch manche Erkenntnis fehlt? Manche Leiche ist vollständig mit allen Gliedern. Und dann gibt es lebende Menschen, denen eine Hand oder ein Fuß fehlt. Doch ein toter Körper verwest, auch wenn er noch alle Glieder hat. Das zeigt der heutige Zustand der Missourisynode. Daß es auch in der Wisconsinsynode Verwesungserscheinungen gibt, zeigt ein Vorgang in einer WELS-Highschool im Jahre 1927: Schüler gingen wiederholt gemeinschaftlich auf Diebestour. Daraufhin hat der junge Pastor Beitz auf einer Pastorenkonferenz ein Referat über ein Zitat aus dem Propheten Habakuk in Gal. 3,11: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ gehalten. „Leben wir, so leben wir dem Herrn“ (Röm. 14,8). Folglich leben wir nicht erst nach dem Tod aus dem Glauben, sondern schon jetzt, und zwar in der christlichen Heiligung. Wie es eine Lebensäußerung eines guten Baumes ist, gute Früchte hervorzubringen, so wirkt sich das Leben in Christus schon in diesem Leben in der Heiligung aus. Und das ist anders als bei der Eisenbahn. Dort zieht die Lokomotive die Wagen. Sind keine Wagen angehängt, dann ist es trotzdem eine Lokomotive. Doch fehlen die Früchte der Heiligung, dann mag zwar viel Wissen vorhanden sein, wie es auch die Teufel haben, aber es fehlt der rechtfertigende Glaube. Daß es möglich war, daß Schüler einer WELS-Schule wiederholt und gemeinschaftlich auf Diebestour gehen, hatte Pastor Beitz auf Mängel in der Verkündigung zurückgeführt. Zwar wurden lauter Paragraphen der „reinen Lehre“ gelehrt, es wurde aber zu wenig vermittelt, daß Glaube ist, auf den Gekreuzigten zu blicken und seinem Heiland nachzufolgen.
Wie die alttestamentlichen Propheten ihre Hörer erzürnt hatten und deshalb gesteinigt wurden, so wurde Pastor Beitz zwar nicht gesteinigt, aber wenigstens aus der WELS hinausgeworfen. Dieser Rauswurf wurde durch den Vorwurf von „Irrlehre“ fromm ummäntelt. Er würde Rechtfertigung und Heiligung miteinander vermischen. Denn Gal. 3,11 handele von der Rechtfertigung und angeblich nicht von der Heiligung. Doch die Abkoppelung der Heiligung von der Rechtfertigung geht bis auf Luther zurück. Das zeigt auch das Wort „allein“, daß er in Röm. 3,28 zum Gotteswort hinzugefügt hat. „So halten wir dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“. Die deutsche Sprache erfordere das „allein“, da alles andere ausgeschlossen sei. Und in der Tat sind die Gesetzeswerke ausgeschlossen. Doch was ist mit den Glaubenswerken? Wenn Jesus beim Weltgericht sagen wird: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist, … ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen, …“, dann sind das doch alles Werke. Zwar keine Gesetzeswerke, wohl aber Früchte des Glaubens. Doch daß es auch Glaubenswerke gibt, die aus dem Glauben wie aus einem guten Baum zwangsläufig herauswachsen, blieb dem Bluthund Luther verborgen. Deshalb konnte er sich Werke nur als Gesetzeswerke vorstellen, die jemand mit einer Verbrechergesinnung, wie er sie selber hatte, tut, um sich die ewige Seligkeit zu verdienen. Dabei ignoriert Luther, daß das neutestamentliche Griechisch durchaus ein Wort hat, das dem deutschen „allein“ entspricht. Würde es in Röm. 3,28 gehören, dann würde es dort auch stehen. Es kommt in Jakobus 2,24 vor, wo es heißt: „So seht ihr nun, daß der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein“. Luther hatte das Gotteswort sehr gut gekannt. Doch die Teufel kennen es noch besser. Wie der Teufel nicht den Geist Christi hat, so hatte auch Luther einen anderen Geist. Die Geschichtsfälscher, die dem widersprechen, müssen die Tatsache geheimhalten, daß Luther die Obrigkeit aufgefordert hatte, die Wiedertäufer notfalls dem Henker zu übergeben. So etwas hatte Christus nicht getan. Die entscheidende Frage ist: Was ist Glaube? Glaube ist, sein Kreuz auf sich zu nehmen und seinem geliebten Heilande nachzufolgen. Und in der Nachfolge Christi haben schon viele ihr Leben verloren. Sie haben ihr Leben verloren, nicht aber anderen das Leben genommen. Von daher kann bei aller gedanklichen Unterscheidung die Heiligung nicht von der Rechtfertigung abgetrennt werden.
Was in der traditionellen lutherischen Verkündigung im Argen liegt, hat mir jemand anhand einer Begebenheit aus der Schafzucht illustriert: Jemand ernährte seine Schafe mit Stroh. Auf die Frage: „Können Schafe denn von Stroh leben?“ kam die Antwort: „Im Stroh sind auch Getreidekörner“. Und die Schafe blieben nicht nur Leben, sondern gediehen scheinbar sogar prächtig und haben Lämmer geworfen. Doch mit einmal sind sie massenhaft gestorben. Diese Erfahrung aus der Schafzucht ist geeignet, um den Mißstand zu illustrieren, den Pastor Beitz vor Augen hatte. Die Gemeindeglieder wurden vorwiegend mit Stroh ernährt, gemischt mit dem Kraftfutter, das die Dogmatikbücher wie z. B. Pieper bereitstellen. So wie wir uns im irdischen Leben nicht nur mit sterilen Lebensmitteln wie Brot, Fleisch und Konserven ernähren, sondern auch mit Gemüse und Obst, so benötigen wir auch im geistlichen Leben „lebendiges Wasser“. Und „lebendiges Wasser“ und Nahrung, wo die Vitamine nicht bereits abgetötet sind, bedeutet zu vermitteln, mit Jesus zu gehen. Diese Jesusnachfolge geschieht nicht, ohne immer wieder in Sünde zu fallen. Luther und die Dogmatiker nach ihm sprechen unter Bezugnahme auf Röm. 7 von „simul justus et peccator“ (sowohl gerecht als auch Sünder). Diese Beschreibung der Bibellehre enthält eine Ungenauigkeit, durch die der Schmale Weg erheblich verbreitert wird. Im Unterschied zu vielen, die dieses Schlagwort als Rechtfertigung für kleinere Sünden, die man zu tun bereit ist, mißbrauchen, findet sich Paulus keineswegs mit seinem sündigen Zustand ab, sondern bei ihm beinhaltet Sündenerkenntnis eine Kriegserklärung an die Sünde. Außerdem ist bei dem Apostel der Sünder ein anderes Ich als der Gerechte. „So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt“ (Röm. 7,17). „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“ (Röm. 8,1).
Um Pastor Beitz als „Irrlehrer“ zu diffamieren, zitierte man seinen Satz: „You will find repentance at the foot of the Cross“. Also werde nach Beitz die Buße durch das Evangelium gewirkt. Doch das sei Vermischung von Gesetz und Evangelium, da die Buße angeblich allein durch das Gesetz gewirkt werde. Die Auffassung, daß die Buße allein durch das Gesetz gewirkt werde, findet man auch in der Literatur aus der Zeit vor der Beitz-Kontroverse. In der Tat steht geschrieben: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Röm. 3,20). Wenn die Theologie von der gelebten Jesusnachfolge abgekoppelt und zum Jonglieren mit nichtssagenden Formeln verkommen ist, dann wird schon einmal Sündenerkenntnis mit Buße verwechselt. Wenn der Dogmatikparagraph von der Wirkung des Heiligen Geistes übersehen wird, dann erscheint Glaube als Ergebnis intellektueller Gedankenketten, dann erscheint Buße als gedankliche Schlußfolgerung von Sündenerkenntnis. Zu derartigen Fehlleistungen kommt es, wenn man sich im Paragraphengewirr der „reinen Lehre“ verheddert hat, anstatt den Bibeltext direkt zu sich sprechen zu lassen.
Doch dieser unterschiedliche Umgang mit der Bibel ist der zentrale Unterschied von lutherischer und reformierter Theologie, der die anderen Unterschiede lediglich zur Konsequenz hat. Reformierte sagen ganz offen: Von der Bibel zum theologischen System, und vom System zur Auslegung der einzelnen Bibelstelle. Leitet man von der Bibel ein theologisches System ab, dann schleicht sich die menschliche Klugheit als zusätzliche Erkenntnisquelle ein. Beispiel: Christus sei bei seiner Himmelfahrt mit einer Riesengeschwindigkeit durch das Weltall gesaust und hat sich zur Rechten seines Vaters gesetzt. Dort sitzt, steht oder geht er umher. Folglich könne ich im Abendmahl nicht mit meinem Mund Christi Leib essen. Ein anderes Beispiel ist das Taufverständnis. Zwar taufen Reformierte Kinder, denn die Kindertaufe ist die Voraussetzung für eine Landeskirche. Aber in dem Ausmaß, in dem sich Reformierte vom staatskirchlichen Denken lösen, korrodiert auch die Säuglingstaufe. Mit meinem Buch Haben die Apostel Säuglinge getauft? richtete ich nichts aus. Denn ich habe lediglich die Bibellehre entfaltet. Doch Reformierte denken aber in theologischen Systemen. Und aus denen ergibt sich, daß in der Taufe nichts geschehen würde. Mein Hinweis, daß geschrieben steht: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod“ (Röm. 6,4) kann da nichts ausrichten. „Allein die Schrift“ wird auch von reformierter Seite immer wieder bekannt. Doch da die Schrift unserer durch den Glauben geläuterten Vernunft nicht widerspräche, sei die und jenes so und so zu verstehen.
Und diese reformierte faktische Abkehr vom Grundsatz „allein die Schrift“ ist auch in die WELS eingedrungen. Kluge Gedankenketten führten zu dem Ergebnis, daß die Buße allein durch das Gesetz gewirkt werde. Dabei wurde aber ignoriert, daß geschrieben steht: „Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ (Röm. 2,4). Und aus dem Selbstmord des Judas hatte man auch nicht gelernt, daß nicht jede Sündenerkenntnis, die durch das Gesetz gewirkt wird, zur Buße führt. Der Unterschied von lutherischer und reformierter Theologie ist mit der unterschiedlichen Stellung zum Ehebruch vergleichbar. Ein Slogan der 68er Chaoten war: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“. Dagegen wird in allen christlichen Denominationen gelehrt: „Du sollst nicht ehebrechen“. Wie es aber in jeder Glaubensgemeinschaft Ehebrecher gibt, so gibt es den reformierten Umgang mit der Bibel auch in der WELS. Der reformierte Umgang mit der Bibel scheint im „Luthertum“ vielmehr gang und gäbe geworden zu sein. In einem Buch aus dem 19. Jahrhundert stellte der Verfasser den Unterschied von lutherischer und reformierter Theologie als Unterschied zwischen zwei theologischen Systemen dar. Lutherische Theologie war also zu einem theologischen System der „reinen Lehre“ verkommen, nach dem die einzelnen Bibelstellen zurechtzubiegen seien.
Ein weiteres theologisches System ist die liberale Theologie. Diese ist atheistisch. Die Bibel wird dann so erklärt, als ob es Gott nicht gäbe. Spintisierereien, welche Menschen sich wann und wo welche Glaubenslehren ausgedacht hätten, füllen ganze Bibliotheken. Natürlich haben die Liberalen kein Verständnis für die bisherigen theologischen Systeme. Die Beitz-Truppe hat das glaubenslose jonglieren mit den nicht verstandenen und innerlich nicht nachvollzogenen Lehrformeln ebenfalls abgelehnt. Zu den Beitz-Sympathisanten gehörte der Sohn des Polen-Missionars Bodamer. Mein Vater, der in Polen gelebt hatte, sagte mir, er hätte gehört, daß Bodamers Sohn liberal geworden sei. Das zeigt, wie fremd den Jongleuren der Paragraphen der„reinen Lehre“ ein Bibelumgang aus dem Glauben heraus ist, so daß sie ihn nicht von der liberalen Theologie unterscheiden können.
In der WELS gab es somit zwei Geistesströmungen: Ein Denken von der Exegese her und ein Jonglieren mit toten Formeln wie in Missouri. Da man in Missouri noch weniger von der Exegese her dachte als in Wisconsin, konnte Missouri trotz der damals besehenden formalen Kirchengemeinschaft für die Beitz-Truppe keine neue Heimat werden. Zwei Seelen waren auch in der Brust von August Pieper. Die Beitz-Leute zitierten solche früheren Aussagen von August Pieper, die er in ihrem Sinne geschrieben hatte. Doch in der Auseinandersetzung wurde er deren erbitterter Gegner. Vermutlich befürchtete er, daß die Geringachtung des Paragraphenwustes der „reinen Lehre“ in den Unglauben der liberalen Theologie führt. Somit war er nicht frei von einer Geisteshaltung, die, anstatt allein die Bibellehre zu entfalten, ein theologisches Lehrsystem gestaltete, das möglichst frei von inneren Widersprüchen ist.
Die Vergleichbarkeit der Beitz-Kontroverse mit den Pharisäern besteht darin, daß man die berechtigte Kritik vom Gotteswort her dadurch abwehre, daß man denjenigen, der sie äußerte, als Irrlehrer diffamierte. Sowohl die Pharisäer als auch das WELS-Establishment dienten ihrer eigenen Wichtigkeit bzw. ihrer „Kirche“ anstatt Gott. „Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute“ (Joh. 11,48). Die Pharisäer beschlossen, Jesus zu töten (Joh. 11,53). Auch Beitz, der ebenso das Versagen der Wichtigtuer gebrandmarkt hatte, sollte beseitigt werden. Pastoren, die mit Beitz Kirchengemeinschaft praktizierten, wurden ebenfalls exkommuniziert, ebenso die, die mit den Exkommunizierten Kirchengemeinschaft praktizierten. Es kam zur Kettenreaktion. Heute gibt es in den Fragen der Beitz-Problematik in der WELS ein völliges Lehrdurcheinander. Der inzwischen verstorbene Prof. Fredrich vom WELS-Seminar sagte uns Studenten, daß die Beitz-Leute in der Sache recht hatten, es aber ablehnen, zur WELS zurückzukehren. Für viele WELS-Pastoren ist es selbstverständlich, daß die Buße durch das Evangelium gewirkt wird, und niemand beabsichtigt, diese Pastoren zu exkommunizieren. Doch die Kettenreaktion kam wieder in Gang, als es in den 80er Jahren in einer Gemeinde Streit gab. Als Kampfhandlung gegen ihren Pastor thematisierten die Widersacher von Pastor Brand, daß er Kirchengemeinschaft mit den Beitz-Leuten praktizierte. Pastor Brand wurde exkommuniziert und ein weiterer Pastor, der für Pastor Brand Partei ergriffen hatte. Andererseits praktiziert die WELS mit den Beitz-Leuten Kirchengemeinschaft um die Ecke. Die ELS steht in Kirchengemeinschaft mit der WELS, und sie praktiziert Kirchengemeinschaft mit der Beitz-Gruppe, deren Studenten bei der ELS studieren. Das Lehrdurcheinander kann man nur in dem Sinne verstehen, daß die „reine Lehre“ als solche nicht wichtiggenommen, sondern so zurechtgebogen wird, wie man es für irgendwelche kirchenpolitischen Machenschaften braucht.
5. WELS-Papsttum
Daß man bei dem kirchenpolitischen Zurechtbiegen der Lehre nebenbei faktisch Jesus Christus als Oberhaupt der WELS verwirft und durch ein Papsttum ersetzt, zeigt folgende Entgleisung in einem kirchengeschichtlichen Papier (Mark A. Jeske: A HALF CENTURY OF FAITH-LIFE) eines WELS-Pastors: „Whether or not the suspensions (von Beitz Sympathisanten) were just, though, they were approved formally on three separate occasions by the vote of a considerable majority, and as such deserved to be recognized as authoritative within synodical membership“ (S. 31). Und in S. 21 schreibt Pastor Jaske: „In case after case, the individual Protes’tants knew who the brethren were that were under discipline and knew that the District (rightly or wrongly) forbade pulpit and altar fellowship on pain of suspension, and in case after case they deliberately flaunted their fellowship involvement with disciplined Protes’tents, …“. Katholiken halten ihren Papst für unfehlbar. Demgegenüber ist es lutherische Lehre, daß das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet ist. Doch diese Lehre konnte Pastor Jeske unmöglich in der Bibel entdeckt, sondern bestenfalls nur irgendwo gehört oder gelesen und dann im Gehirn abgespeichert haben, ohne sie zu verstehen. So machen es Schüler in der Schule, die irgendwelche Formeln über Sinus und Kosinus in ihren Gehirnen abspeichern, ohne daß es sie auch nur interessiert, was ein Sinus oder Kosinus ist. Pastor Jeske merkt nicht, daß er ein noch mächtigeres Papsttum errichtet als das römische. Der römische Papst könne keine Fehler machen, da Gott dies verhindere. Was der römische Papst angeblich nicht kann, das kann aber der Papst in der WELS. Er kann sogar eingeräumte Fehlentscheidungen („rightly or wrongly“) mit Rechtskraft versehen. Wessen Glaube darin besteht, daß er auf Christus blickt und seinem Heiland nachfolgt, der erschreckt, wenn durch Rechtskraft von eingeräumten Fehlentscheidungen Jesus Christus faktisch als König verworfen wird.
Durch den Hinweis auf eine beträchtliche Mehrheit in irgendwelchen Entscheidungsgremien wird die Sache auch nicht besser. Demokratie ist bei den Amerikanern eine „Heilige Kuh“. Doch Jesusjünger sind weder Amerikaner, noch Griechen, noch Juden, sondern Bürger des Reiches Gottes. Sie sind keine Bürger Amerikas, das im Argen liegt (1. Joh. 5,19), sondern lediglich Fremdlinge. Deshalb sind sie auch keine Demokraten, sondern Monarchisten. Sie verabscheuen die Demokratie, da sie lediglich sicherstellt, daß wir auf dem Breiten Weg wandeln, den die vielen gehen, vor dem Christus uns aber warnt (Matth. 7,13).
Die Verwerfung Christi als Oberhaupt der WELS durch Pastor Jeske hat auch ihre Entsprechung in der Zeit Jesu. Die Hohenpriester sagten dem Pilatus: „Wir haben keinen König als den Kaiser“ (Joh. 19,15). Damit hatten sie nicht nur die Person Jesu verworfen, sondern sogar den Messiasglauben als solchen, und sie haben den römischen Kaiser zu ihrem König erwählt. „Wir haben keinen König als die demokratischen Mehrheiten“, schreibt Pastor Jeske sinngemäß. Die Gemeinsamkeit von damals und heute ist, daß man der WELS bzw. der Kaiphas-Clique dient und erst in zweiter Linie Gott.
6. Verwesung
Ist ein Körper tot, dann verwest er, auch wenn er noch alle Glieder hat. Das wird deutlich, wenn wir die lutherische Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts mit den heutigen Landeskirchen vergleichen. Die Missourisynode ist ein Nachzügler dieser Entwicklung. Noch weiter zurück ist die Lutherische Freikirche. Doch auch dort ist der Verwesungsprozeß deutlich erkennbar. Die westdeutschen Teile der Freikirche fusionierten mit der SELK. Selbst wenn man unterstellt, daß die Bibelkritik damals noch nicht erkennbar gewesen sein sollte, dann fragt man sich, warum die ehemals freikirchlichen Gemeinden bis heute die SELK nicht wieder verlassen haben. In der DDR bestand die Kirchengemeinschaft der Freikirche mit der SELK bis in die 80er Jahre fort. Ich hatte es erlebt, wie faustdicke bibelkritische Irrlehre in der SELK ignoriert wurde. Die WELS hatte einerseits keine Kirchengemeinschaft mit der SELK, andererseits bestand über die Freikirche eine Kirchengemeinschaft um die Ecke. Die WELS wollte das Durcheinander klären, die Freikirche wollte aber nach wie vor beide Kühe melken. Nach finanziellen Zusagen durch die WELS brach die Freikirche dann doch mit der SELK. Den Gemeinden sagte man, daß die Treue zum Gotteswort den Bruch erforderlich mache. Warum nicht schon früher? Die Behauptung, die Bibelkritik sei vorher nicht offenbar gewesen, ist eine faustdicke Lüge. Und diese Lügerei ist eine Gemeinsamkeit mit den Hohenpriestern und den Ältesten, die ebenfalls gegen besseres Wissen gelogen hatten, daß die Jünger Jesu Leib gestohlen hätten (Matth. 28,11.13).
In einem Brief in deutscher Sprache fragte ich Präses Mischke von der WELS, ob die Buße allein durch das Gesetz oder aber auch durch das Evangelium gewirkt werde. Da dieser Brief unbeantwortet blieb, schickte ich ihn an sämtliche Pastoren der Freikirche. Er enthielt auch obiges Zitat über ein Papsttum, das sogar eingeräumte Fehlentscheidungen mit Rechtskraft versehen kann, was bedeutet, daß Christus als Oberhaupt der WELS verworfen wird. Doch das sei lediglich mein Problem mit der WELS. Niemandem in der Freikirche ginge das etwas an. Die Irrlehren in der SELK waren nicht kirchentrennend, dann wurden sie aber kirchentrennend. Dafür sind aber die Irrlehren in der WELS nicht kirchentrennend. Wie man es braucht. Das ist eine moralische Verkommenheit, wie sie in der Politik gang und gäbe ist. Amerika führte gemeinsam mit Stalin einen Kreuzzug für Menschenrechte, für Demokratie und – das ist der Gipfel des Zynismus – sogar für Glaubensfreiheit. Die Menschenrechtsverletzungen Stalins wurden ignoriert, wurden aber dann zum Thema, als Stalin die Amerikaner geärgert hatte. Die Liste derartiger Scheinheiligkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Alles, wie man es braucht. Diese Verkommenheit, wie sie in der Politik gang und gäbe ist, wirft Jesus den Pharisäern vor (Matth. 23), und sie ist auch charakteristisch für die WELS und die Freikirche. Wie in der Politik Menschenrechtsverletzungen als Kriegsgrund oder als belanglos gelten, wie man es braucht, so gilt Irrlehre als kirchentrennend, oder sie wird nicht gesehen, wie man es braucht. Wie es in der Politik nicht um die Menschenrechte geht, so geht es in der Kirche auch nicht um das Seelenheil. Denn sonst wäre die Frage, ob die Buße allein durch das Gesetz, oder aber auch durch das Evangelium gewirkt wird, nicht unbeantwortet geblieben. Es geht nicht um das Seelenheil, sondern um identitätsstiftende Schibbolets, die für die eigene Identität als paulisch, apollisch oder lutherisch wichtig sind. In dem Maße, wie Christus aus dem Blick gerät, braucht der Teufel nur von einer anderen Seite angreifen. Beispiele: „Wir haben keinen König als den Kaiser“, Rechtskraft für eingeräumte Fehlentscheidungen.
7. Verfolgung vermeiden
Wenn man nur Lehren, nicht aber Geister unterscheidet, dann bleiben die Lehrformulierungen zwar erhalten, es ändert sich aber deren Bedeutung. Organisationen bleiben erhalten, es ändert sich aber deren Inhalt. So unterscheiden sich die heutigen lutherischen Landeskirchen von den Landeskirchen der Zeit Luthers, obwohl es sich um dieselben Organisationen mit denselben Bekenntnisschriften handelt.
Wer die Geister nicht unterscheidet, der hinterfragt die identitätsstiftenden Lehrformulierungen auch dann nicht, wenn der angeblich Schmale Weg sehr breit ist. Ein Betrüger kann „beweisen“, daß ein Euro = 1Cent. Der „Beweis“ geht folgendermaßen:
1 Euro = 100 Cent / weil 100 = 10×10
1 Euro = 10 Cent x 10 Cent / weil 10 Cent = 0,1 Euro
1 Euro = 0,1 Euro x 0,1 Euro /weil 0,1 x 0,1 = 0,01
1 Euro = 0,01 Euro
1 Euro = 1 Cent
Auch Personen, die den Fehler nicht finden, sind nicht bereit, einen Euro für einen Cent einzutauschen. Doch wem die Glaubensinhalte nur tote Formeln sind, der stimmt einem vergleichbaren Betrug freudig zu. Denn dadurch bleibt er von der Verfolgung verschont, die Christus denen vorhergesagt hat, die ihm nachfolgen. Für wen die einzelnen Lehren nur tote Formeln ohne Bezug auf das Leben sind, dem stellt sich auch nicht folgende naheliegende Frage: Hat sich Jesus geirrt, als er sagte, daß wir verfolgt werden müssen, oder werden wir deshalb nicht verfolgt, weil wir ihm nicht nachfolgen? Jesus sprach nicht von der Verfolgung der Kirche, nicht einmal von der Verfolgung derer, die „Herr, Herr“ sagen, sondern lediglich von der Verfolgung derer, die seinen Willen tun. Somit gibt es ein weites Betätigungsfeld für Theologen, Wege zu finden, um christliche Folklore, ein christliches Erscheinungsbild und den Fortbestand der Gemeinden und kirchlichen Organisationen sicherzustellen und doch nicht verfolgt zu werden. Besonders Lutheraner wissen, daß wir nicht durch Werke vor Gott gerecht werden, sondern durch Glauben. Und Glaubensfreiheit wurde und wird weitgehend gewährt, solange sich der Glaube nur in den Grenzen auswirkt, die toleriert werden. Jahrhunderte hindurch haben sich „Lutheraner“ gegenseitig umgebracht. Das fromme Mäntelchen, durch das diese Bluttaten als gottwohlgefällig erscheinen, ist die lutherische Zweireichelehre, die sehr ähnlich aussieht wie die biblische Zweireichelehre.
Durch die christliche Botschaft werden staatliche Mörderbanden leistungsfähig. Wenn die Mörderbanden von Friedrich II. im Siebenjährigen Krieg (1756-63) den Russen, den Österreichern und den Franzosen widerstehen konnten, obwohl jede einzelne dieser Armeen größer war als die preußische, dann hat der christliche Glaube in Preußen das ermöglicht. Ist nach der biblischen Zweireichelehre der einzelne Gläubige Bürger des Reiches Gottes und Fremdling in der Welt, so ist er nach der lutherischen Zweireichelehre Bürger zweier Reiche. Trotzdem würde er nicht zwei Herren dienen, da Christus beide Reiche regiert. Übersehen wird aber, daß Christus im „Reich zur Linken“ nur als König im Sinne einer repräsentativen Monarchie gilt. Wie die Briten als Untertanen der Queen gelten, die Queen aber nichts zu entscheiden hat, so wird dem König Jesus Christus im Reich zur Linken lediglich eine repräsentative Rolle zugestanden. Wer nur Lehrformulierungen miteinander vergleicht, der hält die gängige lutherische Zweireichelehre für biblisch. Wer aber Geister unterscheidet, der erkennt, daß Christus faktisch als König abgesetzt ist.
Wie heidnische Inhalte in ein christliches Gewand eingehüllt sein können, sieht man am Katholizismus. Hatte ein Martyrer einen ähnlichklingenden Namen wie eine heidnische Gottheit, dann übernahm er als „Heiliger“ deren Funktion. Wie bei den Heiden (Jer. 7,18) gibt es auch bei den Katholiken eine „Himmelskönigin“. Die alttestamentlichen Propheten hatten gegen den Götzendienst ihrer Zeit gepredigt, so auch Jesus und die Apostel gegen die damals aktuellen Verführungen. Jesus sagte auf dem Laubhüttenfest zu seinen Brüdern, die nicht an ihn glaubten: „Die Welt kann euch nicht hassen. Mich aber haßt sie, denn ich bezeuge ihr, daß ihre Werke böse sind“ (Joh. 7,7). Auch wir werden von der Welt nicht gehaßt, wenn wir unter dem Deckmantel der Zweireichelehre Bosheit und antichristliches Heidentum dann nicht thematisieren, wenn sie in einem politischen Gewand daherkommen.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die deutsche Bevölkerung von einer Kriegshysterie erfaßt. Doch anstatt mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß nicht Deutschland, sondern der Himmel unsere Heimat ist, hatten sich auch Pfaffen an der allgemeinen Kriegshysterie beteiligt. Erinnert sei an Pastor Modersohns Broschüre von 1915 mit dem vielsagenden Titel Der Segen des Krieges, veröffentlicht auf www.johannes-lerle.net.
Der Nationalsozialismus war nicht nur ein politisches System, sondern in erster Linie eine durch und durch antichristliche Heilslehre, in der die Person Adolf Hitler die Rolle eines Messias einnahm. Und Mein Kampf war nicht nur ein politisches Machwerk, sondern vor allem ein Predigtbuch des Teufels. „Fromme“ Trottel wie Modersohn priesen Hitler als „Gnadengeschenk Gottes an das deutsche Volk“. Der Dorfpfarrer Paul Schneider (reformierter Pfarrer in der Unierten Landeskirche) thematisierte in seiner Verkündigung den Unterschied des Nationalsozialismus zur Lehre Christi. Nach mehreren Gefängnisaufenthalten kam er im Jahr 1937 ins KZ Buchenwald, wo er im Juli 1939 „gestorben“ wurde. Bis heute wird behauptet, bei den Nazis hätte es Glaubensfreiheit gegeben. Und in der Tat, viele Pfaffen taten ihren Job, ohne jemals von der Gestapo behelligt worden zu sein. Hätte sich Pastor Schneider auf irgendwelches Pfaffengezänk aus früheren Jahrhunderten beschränkt, er wäre nicht ins KZ gekommen. Die Nazis verfolgten zumindest nicht die evangelische Kirche, sie wollten sie lediglich in ihrem Sinne umgestalten. Sie verfolgten nur Christus und diejenigen, die Christus angehörten. Jeder durfte glauben, was er wollte. Zur Verfolgung kam es erst, wenn sich der Glaube im Leben auswirkte.
Wie der Nationalsozialismus wurde auch der Marxismus von den Verbreiterern des Schmalen Weges dem Bereich der Politik zugeordnet, auf den die christliche Verkündigung wegen der Zweireichelehre nicht eingehen dürfe. Dabei ist auch der Marxismus eine durch und durch antichristliche religiöse Heilslehre. Das Proletariat ist der Messias. Die „historische Mission der Arbeiterklasse“ ist, durch Revolution (vergleichbar mit Jesu Golgathasieg) den Kopf der kapitalistischen Schlange von 1. Mose 3 zu zerschmettern. Die Folge ist eine ewige Friedensära des Überflusses auch an materiellen Gütern, die Lenin „Paradies auf Erden“ nannte.
Einen anderen Messianismus haben wir in Amerika. Amerika gilt als das neue Israel, von wo aus das Heil der Demokratie die ganze Welt erfüllen werde. Diese Friedensperiode werde in Jesu Tausendjährige Königsherrschaft einmünden. Die einzelnen Kriege (Bürgerkrieg, der Krieg gegen das katholische Spanien, der Krieg gegen den deutschen Kaiser, der gemeinsame Krieg mit Stalin gegen Hitler, Reagans Kalter Krieg gegen das „Reich des Bösen“, die Sowjetunion, Bushs Krieg gegen Hussein als dem „Hitler unserer Zeit“) waren verbunden mit den Emotionen eines endgültigen Harmagedon-Gefechtes als Auftakt zu einer ewigen Friedensära, die in das Tausendjährige Friedensreich von Offenb. 20 einmünden werde. Ausdruck der heilsgeschichtlichen Bedeutung Amerikas ist die amerikanische Fahne, die sich auch in Kirchengebäuden der WELS befindet. Mir sagte man, sie sei Ausdruck des Segens, den Gott uns durch unsere Obrigkeit gegeben hat. Warum dann nicht eine rote Fahne mit Hammer und Sichel? Christus hat uns durch sein Blut erlöst, ausgedrückt durch die rote Fahne. Und er hat uns berufen zu Arbeitern in seinem Reich und zu Ernteeinbringern in seiner Ernte, ausgedrückt durch Hammer und Sichel.
Untersucht man die Paragraphen der „reinen Lehre“ sowohl im Schrifttum als auch auf den Kanzeln und im WELS-Seminar, dann wird man kaum etwas Falsches zitieren können. Das war bei der Predigt der Pharisäer zur Zeit Jesu auch nicht anders. „Alles, was sie euch sagen, das tut und handelt; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln“ (Matth. 23,3). Die „reine Lehre“ schwafeln, aber sich auf dem Breiten Weg der schafspelztragenden Feinde Jesu integrieren, zumindest aber nicht die Verführung des Teufels behindern – das ist ein anderer Geist. All diese Schwafler der „reinen Lehre“ sind auch nicht von der Verfolgung betroffen, die Jesus denen vorhergesagt hatte, die ihm nachfolgen. Auch in diesem Zusammenhang drängt sich folgende Frage auf: Hat sich Jesus geirrt, oder bleibt die Verfolgung deshalb aus, weil ihm niemand nachfolgt?
Der Verrat an der Sache Christi, die bei allen Konfessionen gang und gäbe ist, wird durch einer Karikatur, die ich sah, treffend veranschaulicht. Sie zeigt einen Pastor auf der Kanzel. Die Bildunterschrift ist: „Ich stehe hier, ich kann nichts anderes“. Die Pfaffen machen ihren Job, mitunter warnen sie sogar vor der Sünde. Doch alles im Rahmen des allgemeinen Konsensus und in dem Rahmen, der von der Obrigkeit toleriert wird. Modersohn, dessen Schriften auch heute noch ständig nachgedruckt werden, hatte viele zu Christus geführt. Aber anders als Paul Schneider warnte er nicht vor dem Nazi-Heidentum. Damals, heute und auch bei den Kommunisten war „Glaubensfreiheit“ gewährleistet. Jeder durfte denken, was er will. Zur Verfolgung kam und kommt es erst, wenn sich der Glaube im Leben über das Maß hinaus auswirkt, das die Obrigkeit oder die Gesellschaft zu tolerieren bereit ist. Schadrach, Meschach und Abed-Nego durften auch glauben, was sie wollten. Aber sie hatten auch das goldene Bild anzubeten, das Nebukadnezar gemacht hatte. Als zur Zeit der Urchristenheit das das römische Reich militärisch bedrängt war, sollten die Götter dadurch gnädig gestimmt werden, daß alle Staatsbürger ihnen opferten. Diesen staatsbürgerlichen Pflichten nicht nachzukommen, wurde als politisches Fehlverhalten strafrechtlich verfolgt.
Von den Verbreiterern des Schmalen Weges wird ständig zitiert: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“. Wie Betrüger unter den Mathematikern uns weismachen wollen, daß 1 Euro = 1 Cent, so biegen seit Luther die vom König eingesetzten Hoftheologen an den Universitäten das Gotteswort so zurecht, damit es dem König wohlgefällig ist. Auf Anregung Luthers durften bis ins 19. Jahrhundert hinein nur von der Obrigkeit lizenzierte Prediger das Gotteswort verkünden. Und die charakterlosen Hoftheologen haben das Gotteswort in dem Sinne zurechtgebogen, daß alles des Kaisers sei, von dem der Kaiser behauptet, es sei sein. Nur das soll Gottes sein, an dem der Kaiser ohnehin kein Interesse hat.
In Rußland war es umstritten, ob man sich wegen der beiden Naturen Christi mit zwei Fingern bekreuzigen soll, oder aber mit drei Fingern, weil Gott dreieinig ist. In derartige theologische Streitigkeiten hatte sich Stalin nicht eingemischt. Denn ihm ging es nicht um diese oder jene Theologie, sondern er wollte den Glauben an Christus als solchen ausrotten. Ich habe das Buch geschrieben: „Haben die Apostel Säuglinge getauft?“. Doch das interessiert keinen Staatsanwalt. Das wäre auch bei Hitler und in der DDR nicht anders gewesen.
Dabei wurden nicht nur damals, sondern es werden auch heute in Deutschland Menschen wegen ihres Glaubens eingesperrt. Im Grundgesetz steht von Glaubensfreiheit. Und in der Tat: Der Pastor darf in der Kirche predigen: „Du sollst nicht ehebrechen“. Doch die Kinder lernen in der Schule, daß in sexuellen Dingen das eigene Gefühl immer recht habe. Der Befürchtung, Grundschulkinder könnten noch nicht wissen, welches Gefühl mit Sexualkontakten verbunden sei, wird durch die schulische „Wissensvermittlung“ abgeholfen. In einem in der Grundschule eingesetzten Bilderbuch, angeblich geeignet für Kinder ab sechs Jahren, erklärt ein Vater seinen Kindern: „Das ist ein sehr schönes Gefühl. Mein Glied in Mamas Scheide“. Doch derartige „Bildungs“inhalte werden offensichtlich dem Bereich der Politik zugeordnet. Und als Lutheraner hat man ja gelernt, die beiden Reiche voneinander zu unterscheiden und sich nicht in die Politik einzumischen. Unter diesem Vorwand wird die Schulmisere nicht thematisiert, obwohl es offensichtlich ist, daß die Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen keinerlei Priorität haben. Deshalb gibt es in Deutschland (wie ich im Deutschlandfunk am 18.8.2014 hörte) ca. 14,5% funktionale Analphabeten, Migranten und Kinder nicht mitgezählt. Das Erlernen der Kulturtechniken ist lediglich der Vorwand, um alle Kinder in die Schule zu zwingen. Die Kulturtechniken sind mit den Getreidekörnern vergleichbar, die sich im Rattengift befinden und die die Ratten für eine gesunde Ernährung in der Tat benötigen. Doch wie die Rattenmörder den Tod der Ratten beabsichtigen, so wollen die Kultusminister den geistlichen Tod der Kinder. Die im Grundgesetz „garantierte“ Glaubensfreiheit beschränkt sich darauf, daß sie zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum haben und zu Ostern Ostereier suchen dürfen. Zur „christlichen“ Folklore gehört auch, daß sie Jesus Christus als ihren König bezeichnen dürfen. So bleibt die „christliche“ Fassade vorerst erhalten. Das gilt auch für die traditionellen frommen Vokabeln. Doch die Inhalte werden ausgetauscht. Dem König Jesus Christus wird nur eine repräsentative Funktion zugestanden, vergleichbar mit der Königin von England. Nicht Jesu Wille soll für das Sexualleben entscheidend sein, sondern das eigene Gefühl.
Das gefährliche ist, daß der Teufel langsam und in kleinen Schritten vorgeht, notfalls zwei Schritte vor und einen zurück. Wenn man einen Frosch in heißes Wasser tut, dann springt er heraus. Tut man ihn aber in kaltes Wasser und erhitzt es nur langsam, dann stirbt er. Genau das ist die Strategie beim Völkermord am Gottesvolk. Wir sollen die Wege Gottes vorerst nur geringfügig verlassen. Das geht aus einem Gerichtsurteil in einer Schulangelegenheit sehr deutlich hervor. So heißt es z. B. in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. September 2013 (Aktenzeichen: 6 C 12.12, S. 19): „Es ist durchaus denkbar, dass einzelne religiöse Verhaltensgebote für den Betroffenen einen so untergeordneten Stellenwert besitzen, dass dieser sich nicht in eine glaubensbedingte Gewissensnot gravierenden Ausmaßes versetzt, wenn er sie in einer Konfliktlage vernachlässigt, um auf diese Weise einem entgegenstehenden staatlichen Normbefehl Folge leisten zu können“ (S. 19, Betonung hinzugefügt). Im Klartext: Um auch dem „staatlichen Normbefehl Folge leisten zu können“, um zwei Herren dienen zu können und nicht Christus allein, sollen die Gläubigen die Wege Gottes in begrenztem Ausmaß verlassen. Ein Sprichwort sagt treffend: „Wer dem Teufel den kleinen Finger gibt, dem nimmt er die ganze Hand“. Ein „Staat“, der das von seinen Untertanen verlangt, handelt als Agent des Teufels. Denn es ist einfach nicht möglich, nur etwas von den Wegen Gottes abzuweichen, ohne dadurch Christus als König zu verwerfen. Alle Landesregierungen, die für das „Bildungs“wesen zuständig sind, und alle Gerichte haben entschieden: „Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche“ (Luk. 19,14). Indem sie die Schulen als Kindermissionierungsanstalten mißbrauchen, um zu verhindern, daß Christus über die Kinder herrscht, handeln sie nicht als „Obrigkeit von Gott“, sondern als Agenten des Teufels.
Wenn wir berechtigterweise z. B. die Mücken der baptistischen Entscheidungstheologie aussieben, die die Ablehnung der Säuglingstaufe zur Konsequenz hat, dann sollten wir aber auch die Kamele nicht verschlucken, durch die Christus zu einem repräsentativen Monarchen degradiert wird, der nichts Wichtiges zu entscheiden habe. Indem wir anstatt auf Christus zu blicken und danach zu trachten, ihm im Leben nachzufolgen, nur irgendwelche Paragraphen alter Dogmatikbücher ventilieren, vermeiden wir Kampfhandlungen und ersparen uns die Verfolgung, die Christus denen vorhergesagt hat, die ihr Kreuz auf sich nehmen und ihm nachfolgen. Die Worte an Timotheus „Bewahre, was dir anvertraut ist“ (1: Tim 6,20) scheinen so verstanden zu werden, daß man das anvertraute Pfund dadurch bewahrt, daß man es vergräbt. Ist das wirkliche Ziel, den Schmalen Weg zu verbreitern und die Verfolgung zu vermeiden, die Jesus denen vorhergesagt hat, die ihm nachfolgen, dann werden wahre akrobatische Spitzenleistungen bei der Bibelauslegung vollbracht. Immer wieder ist zu hören: „Die Pforten der Hölle werden die Gemeinde nicht überwältigen“ (Matth. 16,18). Und dieses Jesuswort wird im Sinne eines Druckfehlers in einer Gesangbuchausgabe folgendermaßen verstanden: „Kämpfet nichtdie wenigen Jahre, bis ihr kommt auf die Totenbahre“ (anstatt: kämpfet recht). Es geht somit um folgende Frage: Ist Christus das Zentrum unseres Glaubens, oder sind lediglich irgendwelche Schibbolets das Zentrum, die für unsere Identität als paulisch, apollisch oder aber lutherisch als wichtig erscheinen?
Die Binsenweisheit, daß nicht jeder zur gleichen Zeit an jedem Kriegsschauplatz jede Waffe bedienen kann, dient als Ausrede, sich an keinerlei Kampfhandlungen zu beteiligen. Wie während der Reformationszeit alle Glaubensrichtungen von der damals neuen Technologie des Buchdrucks Gebrauch gemacht hatten, so sollten auch wir heute das Internet nutzen. Dort befindet sich im Ausland unerreichbar für die deutsche Zensur die Seite www.staatseigentum.net. Mit „Staatseigentum“ sind Kinder gemeint. Würde jeder Jesusnachfolger möglichst viele Personen auf diese Internetseite hinweisen, sie wäre allgemein bekannt, und die Pornokraten und Okkultisten kämen in Erklärungsnot. Wer mit Finanzen spekuliert, riskiert sogar den Totalverlust. Trotzdem kritisiert es Christus, das anvertraute Pfund dadurch zu bewahren, daß man es in der Erde vergräbt. Doch wer andere auf www.staatseigentum.net hinweist, investiert kein Risikokapital. Selbst wenn ein solcher Hinweis nichts nutzen sollte, schaden kann er jedenfalls auch nicht. Somit gibt es keinen Grund, mit dem „anvertrauten Pfund“ nicht zu wuchern.