Die Prügelpädagogik aus christlicher Sicht

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

Jesu Umgang mit den Sündern

Das Leben in Christus

Der gerechtfertigte Sünder

„Es war schon immer so gewesen”

Die Zweireichelehre

Jesu Fußtapfen

Selig durch gute Werke?

Das Zentrum des

Vorwort

Pädagogik (zu deutsch: Kinderführung) ist ein griechisches Wort, dessen abgeleitete Formen im Neuen Testament vorkommen.1 „Prügel“ ist das deutsche Wort, das traditionell für die Übersetzung der griechischen Vokabel gehalten wurde. Das wirkt sich auch in Bibelübersetzungen aus. So wird „Pädagoge“ unter anderem mit „Zuchtmeister“ wiedergegeben, so in Gal. 3,24f und dessen Tätigkeit öfter mit „züchtigen“ bzw. „Züchtigung“ (Hebr. 12,7-11). Diese Übersetzung entspricht dem, was die heidnischen Griechen unter „Pädagogik“ verstanden haben und was als Folge des von den „Gläubigen“ aufgesogenen Heidentums zur Zeit Luthers allgemein unter „Pädagogik“ verstanden worden war. Dabei kann sich die Bedeutung von Vokabeln aus einem ursprünglich heidnischem Umfeld durchaus ändern, wenn sie in einem christlichen Kontext gebraucht werden. Ein Beispiel ist das Wort „gymnazein“ (z. B. Hebr. 12,11), in dem entsprechend der damaligen Sportbekleidung der Heiden der Wortstamm “nackt“ steckt und das in Bibelübersetzungen mit “üben“ wiedergegeben wird. Daher ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß unter dem Einfluß des Evangeliums „Pädagogik“ etwas anderes bedeuten könnte als im ursprünglich heidnischem Umfeld.

 

Jesu Umgang mit den Sündern

Das Bäumchen biegen, solange es noch jung ist, das sei nötig, damit sich Kinder nicht zu Verbrechern entwickeln. Die Gefahr, daß Kinder mißraten, wird besonders von denen gesehen, denen die biblische Lehre bewußt ist, daß „das Sinnen des menschlichen Herzens“ „böse von seiner Jugend an“ ist (1. Mose 8,21). So weit wir in die Geschichte zurückblicken können, hatte man schon immer versucht, Kinder durch körperliche Züchtigung zu bessern. Dieses vermeintliche Allheilmittel wurde in der Pädagogik nicht nur bei Bosheit und Faulheit, sondern auch extensiv bei kindlichem Unvermögen und bei mangelhaften Fähigkeiten im Lesen, Schreiben, Rechnen sowie bei Fehlern bei der lateinischen Sprache intensiv angewendet. Erasmus (1466 oder 1469-1536) benutzt die Vokabel „Folterkammer“2, um die Klassenzimmer seiner Zeit zu beschreiben.

Derartige Auswüchse werden heute selbstverständlich von den Anhängern der körperlichen Züchtigung abgelehnt. Doch das ändert nichts an der Tatsache, daß verschiedene Prediger die Eltern auffordern, vor diesem Mittel nicht zurückzuschrecken, um ihre Kinder von Schlechtigkeiten abzuhalten. Doch woher kommt die Bosheit, die bekämpft werden muß? Jesus spricht: „Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung“ (Matth. 15,19). In der Bergpredigt spricht Christus: „An ihren Früchten sollt ihr sie  erkennen. … Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte“ (Matth. 7,16f). Und im Epheserbrief (5,9) ist von der Frucht des Lichtes die Rede, die da ist: „lauter Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit“. Wenn Früchte an einem Baume hängen, dann kann dies zwei grundverschiedene Ursachen haben: Sie können entweder an dem Baum gewachsen sein, oder aber jemand hat sie an den Baum angehängt. Hängen die Äpfel am Apfelbaum, so sind sie an diesem Baum gewachsen; hängen sie aber am Weihnachtsbaum, so hat sie jemand angehängt.

Wie Äpfel die Frucht des Apfelbaumes sind, so sind die guten Werke die Frucht des Glaubens. Doch es gibt auch scheinbar gute Werke, die keine Früchte des Glaubens sind, wie Jesu Polemik gegen die Pharisäer zeigt: „Alle ihre Werke tun sie (die Schriftgelehrten und Pharisäer), damit sie von den Leuten gesehen werden“ (Matth. 23,5). „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr verzehntet Minze, Dill und Kümmel und lasset dahinten das Wichtigste im Gesetz, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Dies sollte man tun und jenes nicht lassen. Ihr blinden Führer, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt! Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln auswendig rein haltet, inwendig aber sind sie voll Raub und Gier! Du blinder Pharisäer, reinige zum ersten, was inwendig im Becher ist, auf daß auch das Auswendige rein werde! Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid gleichwie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! So auch ihr: von außen scheinet ihr den Menschen fromm, aber inwendig seid ihr voller Heuchelei und Übertretung“ (Matth. 23,23-28).

In ihrem Inneren liebten die Pharisäer Sünde und Bosheit; aber sie waren bemüht, keine sündigen Taten zu vollbringen. Dieses Spannungsfeld, das zwischen der Bosheit ihres Herzens und ihren scheinbar heiligen Taten bestand, hatte auch Auswirkungen auf ihren Umgang mit Sündern. Im Innersten ihres Herzens beneideten sie diese um deren sündhaftes Leben. Deshalb störte sie Jesu liebevoller Umgang mit den Sündern. Christus konnte deshalb die Sünder lieben, weil er im Unterschied zu den neiderfüllten Pharisäern kein böses Herz hatte.

Der Evangelist Lukas berichtet uns, wie Jesus vor den Augen eines Pharisäers – und noch dazu in dessen Haus – mit einer Sünderin umgegangen ist (Luk. 7,36ff). Als Jesus der Einladung eines Pharisäer, sein Tischgast zu sein, gefolgt war, da kam eine Sünderin hinzu. Sie brachte eine Alabasterflasche mit Salbe und trat hinten zu seinen Füßen und weinte und fing an, seine Füße zu netzen mit Tränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trockenen, und küßte seine Füße und salbte sie mit Salbe. Doch als der Pharisäer, der Christus eingeladen hatte, das sah, dachte er: Wenn Jesus ein Prophet wäre, dann wüßte er, was das für eine Frau ist, dann wüßte er, daß sie eine Sünderin ist. Doch Jesus sorgte sich nicht nur um die Sünderin, sondern auch um den Pharisäer, bei dem er zu Gast war. Ihm möchte er zeigen, was ihn mit der Sünderin verbindet. Dazu gebraucht er das Bild zweier Schuldner ein und desselben Gläubigers. Der eine schuldete fünfhundert, der andere fünfzig Denare. Da beide Schuldner nicht zurückzahlen konnten, wurde beiden die Schuld erlassen. Und Jesus fragte den Pharisäer, welcher von den beiden Schuldnern den Gläubiger wohl am meisten lieben werde. Der Pharisäer hatte richtig erkannt, daß es der sein wird, dem die fünfhundert Denare erlassen wurden.

Mit diesem Bild will Christus dem Pharisäer bewußtmachen, daß auch er ein Sünder ist, daß auch er sich in der Gemeinschaft der Sünder befindet. Ob die Schulden 500 Denare oder „nur“ ein Zehntel, nämlich 50 Denare, betragen, das ändert doch nichts daran, daß sowohl der eine wie auch der andere zahlungsunfähig ist. Für beide liegt die Rettung einzig und allein in der freien Gnade. Diese Erkenntnis hatte die Sünderin dem Pharisäer voraus. Christus weist seinen Gastgeber auf das Verhalten der Frau hin, damit er von ihr lernen kann: „Siehst du diese Frau? Ich bin gekommen in dein Haus; du hast mir nicht Wasser gegeben für meine Füße; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuß gegeben; diese aber, nachdem ich hereingekommen bin, hat nicht abgelassen, meine Füße zum küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind viele Sünden vergeben, darum hat sie mir viel Liebe erzeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“

Mit ihrer Tat befolgte die Frau nicht irgendwelche Gesetzesvorschriften. Denn nirgendwo im Alten Testament finden wir die Anweisung, die Füße des Messias mit Tränen zu befeuchten und mit dem Haupthaar abzutrocknen. Gesetzesvorschriften kann auch jemand mit einem boshaften Herzen aus den falschen Gründen heraus äußerlich befolgen, um unerwünschte Folgen abwenden zu wollen. Aber die Tat der Frau ist eine Lebensäußerung der Liebe zu ihrem Retter, so, wie es die Lebensäußerung eines Baumes ist, wenn er Früchte hervorbringt.

Daß dies nicht allgemein verstanden wird, zeigt sich darin, daß ein Wort in Vers 47 unterschiedlich übersetzt wird. Dieser Vers wird häufig Übersetzt: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt.“ Die Vokabel „denn“ versteht ein Deutscher in dieser Konstruktion als Synonym von „weil“. Die Übersetzung der entsprechenden griechischen Vokabel hoti mit „denn“ oder „weil“ ist rein sprachlich zwar möglich, ist aber an dieser Stelle nicht mit der Gesamtheit der biblischen Botschaft vereinbar. Auch paßt diese Übersetzung nicht zum zweiten Teil des gleichen Verses, wo es heißt: „Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ Die Liebe ist also nicht die Voraussetzung für die Vergebung, sondern deren Frucht.

Die Liebe zu Gott ist ein Gottesgeschenk. Sie ist nicht unsere Tat, zu der wir uns entscheiden könnten, wodurch wir die Vergebung erlangen könnten. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, damit ihr hingehet und  Frucht bringet“ (Joh. 15,16). Immer wieder finden wir in der Bibel das gleiche Prinzip: Nicht wir „entscheiden“ uns für Christus, sondern Gott ergreift und rettet uns, die wir „tot“ waren „in Übertretung und Sünden“ (Eph. 2,1). Er schenkt uns Sündenvergebung und neues Leben. Zu diesem neuen Leben gehört – wie wir am Beispiel der großen Sünderin sehen – die Liebe zu Christus, dem Retter. Dieses neue Leben in Christus bringt als Früchte gute Taten hervor. Aber die guten Werke (zum Beispiel das Salben von Jesu Füßen) und die Liebe zu Gott sind nicht die Voraussetzungen für die Sündenvergebung, sondern sie sind Auswirkungen davon, daß Gott Menschen, die in Übertretung und Sünden tot waren, lebendig gemacht und ihnen neues Leben gegeben hat.

Doch diese Erkenntnis fehlte den Pharisäern. Sie befolgten äußerlich die göttlichen Gesetze beziehungsweise das, was sie dafür hielten. So wollten sie sich das Himmelreich verdienen und verachteten die Sünder, die aus pharisäischer Sicht ein süßes Leben führten. Diese Verachtung traf auch Jesus, den sie beschuldigten, daß er die Sünder annimmt (Luk. 15,2).

Diesen Vorwurf weist Jesus nicht nur nicht zurück, sondern er erklärt den Pharisäern anhand von verschiedenen Bildern, warum er sich so verhält. Eines dieser Bilder ist weitgehend unter der Überschrift „Der verlorene Sohn“ bekannt. Doch dieser Titel lenkt davon ab, daß Jesus von zwei Söhnen spricht. Neben dem jüngeren Sohn, der gewöhnlich von den Predigern als der „verlorene Sohn“ bezeichnet wird, gibt es noch einen älteren Sohn, der nach eigener Aussage schon über Jahre dem Vater diente und noch nie dessen Gebot übertreten hatte (Luk. 15,29). Wir dürfen nicht vergessen, daß es die Pharisäer und Schriftgelehrten sind, zu denen Jesus über die beiden Söhne spricht. Der jüngere Sohn, der zum Vater heimgekehrt ist, entspricht der großen Sünderin, die Jesu Füße salbte. In der Gestalt des älteren Sohnes will Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten einen Spiegel vorhalten.

Diesen älteren Sohn ärgert, daß der Vater den anderen Sohn so herzlich aufnimmt, ein gemästetes Kalb schlachten läßt, um ein Fest zu feiern. Weshalb ärgert er sich eigentlich? Er ist doch auch eingeladen. Doch er will sich nicht über die Heimkehr freuen, sondern hält dem Vater vor: „Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich wäre“ (Luk. 15,29). Also danach sehnte sich der ältere Sohn, daß er mit seinen eigenen Freunden fröhlich ist, nicht mit denen des Vaters. Er hat – wie er meinte – dem Vater immer treu gedient und will es auch weiterhin tun. Aber sein Herz hatte längst das Vaterhaus verlassen. Er lebte zwar beim Vater und diente ihm. So ersparte er sich manche unangenehme Erfahrung des anderen Sohnes. Doch darin, daß es auch ihn innerlich vom Vaterhause wegzog, erkennen wir, daß er sich mehr als ein Sklave anstatt als ein Sohn fühlte. Er empfand ein Leben, wie der Heimkehrer es geführt hatte, als angenehm und war neidisch. Warum nicht fern von den Mühen im Vaterhaus ein „süßes“ Leben führen? Wenn es schief geht, dann braucht man nur zum Vater zurückkehren und sagen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ – und alles ist vergessen.

Beim aufmerksamen Lesen von Jesu Worten über die verlorenen Söhne kann man feststellen, daß der ältere Sohn das Wort „Bruder“ vermied. Doch der Vater sagte sehr pointiert: „dein Bruder“. „Dein Bruder war tot und ist wieder aufgelebt; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (Luk. 15,32). Die Pharisäer und Schriftgelehrten sollen erkennen, daß die Sünder ihre Brüder sind, daß auch sie – die Pharisäer und Schriftgelehrten – sich in der Gemeinschaft der Sünder befinden.

Diesem Ziel dient auch Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner, die beide im Tempel beteten (Luk. 18,9-14). Der Pharisäer dankte Gott. Er dankte Gott dafür, daß er nicht so ist wie die übrigen Menschen: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Er dankte Gott auch dafür, daß er zweimal in der Woche fastet und den Zehnten von allem gibt, was er einnimmt. Was ist falsch daran, so zu beten? Immerhin hatte er erkannt, daß das, was an seinem Lebenswandel lobenswert ist, ein Geschenk Gottes ist. Trotz dieser richtigen Erkenntnis kann man zwischen den Zeilen lesen, daß auch sein Herz den von ihm aufgezählten Lastern zugeneigt war, daß er es als Last empfand, die von ihm aufgezählten Werke zu vollbringen.

Der Zöllner hingegen zählte in seinem Gebet keine guten Werke auf. Er stand lediglich ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Der Zöllner hatte somit eine tiefere Glaubenserkenntnis als der Pharisäer. Er erkannte, daß er Sünder ist und vor Gott nichts und auch gar nichts vorzuweisen hat. Er erkannte, daß die Gnade Gottes seine einzige Rettung ist. Diese Erkenntnis hatte er gemeinsam mit der großen Sünderin, die Jesu Füße salbte; diese Erkenntnis hatte er gemeinsam mit dem jüngeren der beiden verlorenen Söhne.

Wenn wir im Lukasevangelium Jesu Worte über den Pharisäer und Zöllner aufschlagen, dann stellen wir fest, daß wir im Anschluß lesen, wie Jesus die sehr kleinen Kinder segnete. Die Evangelien berichten häufig nicht in zeitlicher Reihenfolge, sondern ordnen ihre Berichte nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Es ist somit unwahrscheinlich, daß die Kindersegnung sich unmittelbar nach Jesu Worten über den Pharisäer und Zöllner zutrug. Wenn wir von ihr dennoch im Anschluß an jene Worte lesen, so liegt dies daran, daß der Evangelist eine Gedankenverbindung herstellen will.

„Und sie brachten zu ihm sehr kleine Kinder, damit er sie berühre. Da es aber die Jünger sahen, fuhren sie sie an. Aber Jesus rief sie zu sich, indem er sprach: Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Luk. 18,15-17).

Im Unterschied zum Pharisäer hatte der Zöllner das Reich Gottes angenommen wie ein Kind, ebenso der jüngere der beiden verlorenen Söhne und die große Sünderin. Der Zöllner, die große Sünderin und der jüngere der beiden verlorenen Söhne hatten erkannt, daß sie keinerlei Verdienste haben, die sie vor Gott geltendmachen könnten, ihr Zugang zu Gott somit allein aus Gnaden erfolgen kann. Bei Kleinkindern ist es besonders offensichtlich, daß sie vor Gott keinerlei Verdienste haben. Daß es den Jüngern mißfiel, die Kleinkinder zu Jesus zu bringen, zeigt, daß sie nicht völlig frei waren vom pharisäischen Gedankengut ihrer Umwelt. Deshalb mußte Christus sie bei anderer Gelegenheit vor dem Sauerteig der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer warnen (Matth. 16,6-12). Die Theologen zur Zeit Jesu hatten eine andere Beziehung zu Kindern als Christus. Das zeigt sich an ihrer Entrüstung, als im Tempel Kinder schrien: „Hosianna dem Sohne Davids!“ Doch Jesus antwortete mit Psalm 8,3: „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet“ (Matth. 21, 15f).

In einem anderen Zusammenhang spricht Jesus ausdrücklich vom Glauben der Kinder. „Wer aber irgend eines dieser Kleinen, die an mich glauben, ärgern wird, dem wäre es nütze, daß ein Mühlstein an seinem Hals gehängt, und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde“ (Matth. 18,6). Wenn Jesus von den Kleinen, „die an mich glauben„, spricht, so haben diese Worte Konsequenzen für die Frage, ob die Prügelpädagogik der gottwohlgefällige Umgang mit den kleinen Sündern ist.

Wie Jesus mit Sündern umgegangen ist, können wir am Beispiel seines Umganges mit der Ehebrecherin erkennen. „Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer bringen eine Frau, im Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprechen zu ihm: Meister, diese Frau ist ergriffen auf frischer Tat im Ehebruch. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen. Was sagst du? Das sprachen sie aber, ihn zu versuchen, auf daß sie eine Sache wider ihn hätten. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nun anhielten, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe zuerst den Stein auf sie. Und er bückte sich wieder nieder und schrieb auf die Erde. Die das hörten, gingen hinaus, einer nach dem anderen, von den Ältesten an; und Jesus war allein gelassen und die Frau in der Mitte. Jesus aber richtete sich auf und sprach zu ihr: Frau, wo sind sie, deine Verkläger? Hat dich niemand verdammt? Sie aber sprach: Herr, niemand. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr“ (Joh. 8,3-11).

Die Brisanz dieser Begebenheit liegt darin, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer in einem Punkt recht hatten, nämlich in dem Punkt, daß tatsächlich im Gotteswort folgendes zu lesen ist: „Und wenn ein Mann Ehebruch treibt mit dem Weibe eines Mannes, wenn er Ehebruch treibt mit der Frau seines Nächsten, so sollen der Ehebrecher und die Ehebrecherin gewißlich getötet werden“ (3. Mose 20,10).

Jesus wußte, ob die beschuldigte Frau tatsächlich die Ehe gebrochen hat. Und wenn das das Problem war, daß niemand von den Anklägern ohne Sünde war; warum hatte Jesus dann nicht persönlich den ersten Stein geworfen? – Er war doch ohne Sünde.

Auf Jesu Umgang mit der Ehebrecherin muß deshalb hingewiesen werden, weil Prügelpädagogen unter Hinweis auf verschiedene Stellen in den Sprüchen Salomos (10,13; 13,24; 18,6; 19,18; 20,30; 22,15; 23,13; 26,3; 29,15.17) den Gegnern der körperlichen Züchtigung vorwerfen, sie würden nicht bibelgemäß handeln. Dabei wissen auch die Prügelpädagogen, daß mit dem Kommen Jesu sich wesentliches geändert hat. Trotz 2. Mose 31,14f und 2. Mose 35,2 töten sie ihre Kinder nicht, wenn sie am Sonnabend arbeiten. Auch essen die meisten von ihnen trotz 3. Mose 11,7 Schweinefleisch und halten auch andere Teile des alttestamentlichen Gesetzes nicht. Übrigens ist in den von den Prügelpädagogen zitierten Bibelstellen nur von Söhnen, nicht aber von Töchtern die Rede. Auch wird auf Hebr. 12 hingewiesen, wo beschrieben ist, wie Gott erzieht. Aber Vorsicht: Nicht alles, was Gott tut, dürfen auch wir tun. Gott hat durch sein Volk Kriege führen und Völker wegen ihrer Sünden vertreiben und töten lassen (1. Mose 15,16; 5. Mose 8,20; Jos. 8,1f …). Gott tötet auch unsere Angehörigen, wenn er die Zeit für gekommen hält. Aber deshalb dürfen wir noch lange keine Menschen töten. Das Festhalten an der körperlichen Züchtigung ist somit nicht durch die häufig zitierten Stellen der Sprüche Salomos und des Hebräerbriefes motiviert, sondern hat offensichtlich andere Ursachen. Diese müssen wir in den Auffassungen darüber suchen, welches die richtigen Motive für die christliche Heiligung sind.

Und in diesem Bereich bedeutet das Kommen Jesu einen gewaltigen Einschnitt. Dieser Einschnitt ist beim Propheten Jeremia vorhergesagt: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den anderen noch ein Bruder den anderen lehren und sagen: ‚Erkenne den HERRN‘, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünden nimmermehr gedenken“ (Jer. 31,31-34).

Wenn das Gesetz im Herzen und im Sinn geschrieben ist, dann wachsen die guten Werke wie Früchte aus dem Menschen heraus. Das Bild von den Früchten der Buße bzw. des Glaubens begegnet uns immer wieder sowohl in der Predigt von Johannes dem Täufer (Matth. 3,8.10) als auch in der Verkündigung Jesu (Matth. 7,16-20; 12,33) als auch in den Paulusbriefen (Röm. 1,13; 6,22; 7,4; Gal. 5,22; Eph. 5,9; Phil. 1,11; 4,17; Kol. 1,6.10). Doch im Alten Testament sucht man dieses Bild vergeblich. Das Kommen Christi ist somit nicht nur irgendeine bedeutsame Etappe in der Geschichte des Gottesvolkes, sondern der Mittelpunkt der gesamten Geschichte. Das Kommen Christi hat das Leben des Gottesvolkes ganz wesentlich verändert. „Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“  (Gal. 2,19). Dieses neue Leben in Christus, das nicht mehr unter dem Gesetz ist (Gal.5,18), beschreibt der Apostel Paulus in seinen Briefen, und zwar besonders deutlich im Galaterbrief.

 

Das Leben in Christus

Beim Lesen des Galaterbriefes begegnet uns ein besonders engagierter Apostel. Denn bei der Frage des Gesetzes geht es um den Heilsweg. Während der Abwesenheit des Apostels waren nämlich Agitatoren gekommen und hatten den Galatern eingeredet, um selig zu werden, müßten sie sich beschneiden lassen und das ganze alttestamentliche Gesetz halten (Gal. 4,17; 6,12).

Das Gesetz ist kein Heilsweg, sondern die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die kommt aus dem Glauben. Um diese Aussage zu unterstreichen, zitiert der Apostel einen Satz über Abraham: “ ‚Er hat Gott geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden‘ (1. Mose 15,6)“ (Gal. 3,6). Nach pharisäischer Theologie war Abraham durch seine Gesetzeserfüllung vor Gott gerecht geworden.3 Doch demgegenüber stellt der Apostel fest:: Durch die Werke der Gesetzeserfüllung ist noch niemand vor Gott gerecht geworden, nicht einmal Abraham. Das Gesetz ist kein Heilsweg und war niemals ein Heilsweg gewesen. Daß das Gesetz niemals ein Heilsweg war, unterstreicht der Apostel durch ein Zitat aus dem Propheten Habakuk, wo es heißt: “ ‚Der Gerechte wird aus Glauben leben‘ (Hab. 2,4)“ (Gal. 3,11). Das Gesetz kann auch schon deshalb kein Heilsweg sein, weil (außer Christus) es niemand jemals gehalten hat (Gal. 3,12). Der Glaube ist der einzige Heilsweg, sogar für Abraham. „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Hab. 2,4; Gal. 3,11). Dem Abraham wurde die Verheißung gegeben, deren Inhalt Christus ist (Gal. 3,16). Und das war lange (430 Jahre) bevor das Gesetz durch Mose gegeben wurde.

Das durch Mose gegebene Gesetz war lediglich ein Intermezzo zwischen der Verheißung, die Gott dem Abraham gab, und der Erfüllung dieser Verheißung in Jesus Christus. Es wurde wegen der Übertretung gegeben (Gal. 3,19), aber nicht als Alternativheilsweg. Denn der Glaube an den dem Abraham verheißenen Christus ist und bleibt de einzige Heilsweg. „Ehe aber der Glaube kam, waren wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den kommenden Glauben hin, der offenbart werden sollte. So ist das Gesetz unser Pädagoge auf Christus hin geworden, damit wir durch den Glauben gerecht würden“ (Gal. 3,23f).

Nur so – von Christus her – können wir viele Anweisungen in den Mosebüchern verstehen. Wenn wir zum Beispiel in 2. Mose 12,46 lesen, daß bei der Feier des Passa dem Passalamm kein Knochen zerbrochen werden soll, so mag diese Vorschrift anfangs unverständlich erscheinen. Doch dadurch, daß diese Stelle aus den Mosebüchern im Bericht über die Kreuzigung Jesu (Joh. 19,36) zitiert wird, wird der Sinn verständlich. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das alljährliche Schlachten des Passalammes ist solch ein Schatten des großen Ereignisses von Golgatha, das sich übrigens zur Zeit des Passafestes zutrug. Und die Anweisung, dem Passalamm keinen Knochen zu zerbrechen, ist ein Hinweis darauf, daß dem eigentlichen Passalamm von Golgatha ebenfalls kein Knochen zerbrochen werden wird. Das alttestamentliche Gesetz ist somit ein Pädagoge, der zu dem kommenden Christus führt.

Doch, was einstmals Zukunft war, ist inzwischen Vergangenheit. „Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Pädagogen. Denn ihr seid alle durch den Glauben an Christus Jesus Gottes Kinder. … Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder, nach der Verheißung Erben“ (Gal. 3,25-29).

Das Wort „Erbe“ dient dem Apostel als Stichwort, um (noch einmal) zu erklären, was sich mit dem Kommen Christi geändert hat. Vor jenem Kommen war der Erbe unmündig. Er war unter den Vormündern und unterschied sich nicht von einem Knecht (Gal 4,1-4). „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz, auf daß er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte, auf daß wir die Sohnschaft empfingen. Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater! Also bist du nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott“ (Gal. 4,4-7).

Das Kommen Christi bedeutet somit einen ganz gewaltigen Einschnitt. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ (Gal. 5, 1). Die christliche Heiligung ist nicht ein äußerliches Befolgen einer langen Liste von Geboten und Verboten, sondern eine neue Gesinnung, ein Leben im Geist (Gal. 5,14-16). Wer von Jesus Christus ergriffen ist, der führt einen ständigen Krieg gegen die Sünde. „Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; diese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht tut, was ihr wollt. Wenn ihr aber durch den Geist geleitet werdet, so seid ihr nicht unter Gesetz. Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, welche sind: … Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Enthaltsamkeit“ (Gal. 5,17-23).

„Die Frucht des Geistes“ – darum geht es. „Früchte“ kann man auch an den Baum anhängen, z. B. Äpfel an den Weihnachtsbaum. Auf diese Weise hatten die Pharisäer zur Zeit Jesu eine scheinbare Heiligkeit erreicht, die von den Leuten bestaunt wurde. Doch derartige Leistungen schauspielerischen Könnens sind keine Früchte des Geistes.

Im Geist leben und im Geist wandeln ist für den Apostel eine Einheit (Gal. 5,25). Das Leben im Geist prägt den Umgang mit den Glaubensbrüdern: „Brüder, wenn ein Mensch von einer Verfehlung übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geiste der Sanftmut, indem du auf dich selbst siehst, daß nicht auch du versucht werdest. Einer trage des anderen Lasten, und auf diese Weise werdet ihr erfüllen das Gesetz des Christus“ (Gal. 6,1f).

Auch in seinen anderen Briefen beschreibt der Apostel das christliche Leben als ein Leben im Geist und als ein ständiges Wachsen zu Christus hin (z. B. Eph. 3,14-17; 4,15). „Denn einst waret ihr Finsternis, nun aber Licht im Herrn. Wandelt wie die Kinder des Lichtes – denn die Frucht des Lichtes (besteht) in aller Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit – indem ihr prüfet, was dem Herrn wohlgefällig ist“ (Eph. 5,8-10). Dem Apostel geht es um Frucht, und nicht um irgendwelche äußerliche Taten.

Im Philipperbrief ist das gleiche Anliegen des Apostels wie im Galater- und Epheserbrief erkennbar. „Und um dieses bete ich, daß eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen möget, was das Vorzüglichere sei, auf daß ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“ (Phil. 1,9-11). Die Gemeinde zu Philippi war die einzige Gemeinde, die den Apostel materiell unterstützte (Phil. 4,15). Doch dem Paulus liegt es fern, irgendwelche Gemeindeordnungen mit dem Ziel zu installieren, damit auch aus anderen Gemeinden Finanzen für seine Missionstätigkeit hereinkommen. „Nicht, daß ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht“ (Phil. 4,17). Von Fruchtbringen lesen wir auch im Kolosserbrief (Kol. 1,9f; 3,1-10).

Der Apostel weist mit großem Nachdruck darauf hin, daß er das Evangelium, das er predigt, nicht von einem Menschen empfangen oder gelernt hat, sondern er hat es durch eine Offenbarung Jesu Christi (Gal. 1,12). Und in der Tat, nicht erst Paulus, sondern bereits schon Jesus Christus hatte immer wieder von den Früchten gepredigt: „Bleibet in mir, und ich in euch. Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, dieser bringt viel Frucht, denn außer mir könnt ihr nichts tun“ (Joh. 15,4f).

Jesus gebraucht das Bild vom Baum und von dessen Frucht im positiven wie im negativen Sinn. Auch die falschen Propheten sind an ihren Früchten zu erkennen (Matth. 7,15-18). Und zu den Pharisäern sagt Christus: „Setzet entweder einen guten Baum, so wird die Frucht gut; oder setzet einen faulen Baum, so wird die Frucht faul. Denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Otternbrut! wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatze Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatze Böses hervor“ (Matth. 12,33-35). Dieses Urteil über die Pharisäer ist das Urteil Jesu, nicht aber das Urteil der Bevölkerung; denn diese ließ sich durch die scheinbaren Früchte – vergleichbar mit den bereits erwähnten Äpfeln am Weihnachtsbaum – täuschen.

Die vielen Schriftaussagen über die Früchte eines Baumes passen doch mit der Prügelpädagogik nicht zusammen. Mit dieser Pädagogik hatte man den Kindern jahrhundertelang lesen, schreiben, rechnen und die lateinische Sprache beigebracht. Daß man sich zum Beispiel zur Zeit Luthers Pädagogik nicht anders als Prügelpädagogik vorstellen konnte, zeigt auch die Wiedergabe des griechischen Wortes „Pädagoge“ (deutsch: Kinderführer) mit „Zuchtmeister“ in der Lutherübersetzung (Gal. 3,24f).

Mit der Prügelpädagogik passen auch folgende Worte aus Jesu Bergpredigt nicht zusammen: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich ererben“ (Matth. 5,5). Das Erdreich ererben – ausgerechnet die Sanftmütigen? Wie sind derartige Worte zu verstehen? Die Mächtigen dieser Welt, die scheinbar das Erdreich besitzen, sind gewöhnlich nicht sanftmütig. Doch wenn sie ihre Macht verlieren, dann stellt sich heraus, daß sie ihre Untertanen doch nicht besessen hatten. Denn nur der kann andere Menschen besitzen, der ihre Herzen besitzt. Doch das können nur die Sanftmütigen.

Christus sagt von sich: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Matth. 11,29). Mit seiner Sanftmut und Liebe hat Jesus durch die Jahrtausende hindurch die Herzen erobert, selbst bei solchen Menschen, die in ihm nicht den Gottessohn erkennen.

Unmittelbar vor seinem Gang nach Golgatha gab Christus seinen Nachfolgern folgende Worte mit auf den Weg: „Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet, auf daß, gleichwie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebet. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander  habt“ (Joh. 13,34f). Liebe und Sanftmut sind Lebensweisen, die Jesus aus dem Reich Gottes in diese Welt hineingetragen hat.

Das deutet schon der alttestamentliche Prophet Maleachi an, wenn er von Jesu Wegbereiter, dem Täufer, vorhersagt: „Er wird das Herz der Väter zu den Kindern, und das Herz der Kinder zu ihren Vätern wenden (Mal. 3,24; Luk. 1,17). Und der Apostel Paulus ermahnt: „Ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn, sondern ziehet sie auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn“ (Eph. 6,4). Wie körperliche Züchtigung möglich ist, ohne gleichzeitig zum Zorn zu reizen, das bleibt das Geheimnis der Prügelpädagogen.

Durch körperliche Züchtigung mögen vorübergehend verschiedene Verhaltensweisen erzwungen werden können. Doch in den Augen Jesu sind sie ebenso wertlos wie die scheinbare Heiligkeit der Pharisäer. Durch Prügelpädagogik kann man eine Sklavengesinnung vermitteln, wie sie der ältere der beiden verlorenen Söhne hatte. Auch die Pharisäer hatten eine Sklavengesinnung. Denn trotz ihres boshaften Herzens vollbrachten sie Taten, die von den Leuten bewundert wurden. Durch Prügelpädagogik wurden früher Gefangene als Sklaven abgerichtet, um sie als solche verkaufen zu können. Wer ähnlich wie der ältere der beiden verlorenen Söhne und wie die Pharisäer selbst eine Sklavengesinnung hat, der wird meinen, es sei Gott wohlgefällig, diese durch Prügelpädagogik zu vermitteln. Doch die Sklavengesinnung entspricht nicht dem Geist, den wir von Gott empfangen haben. „Denn ihr habt nicht einen Geist der Sklaverei empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater!“ (Röm. 8,15). Diesen „Geist der Sohnschaft“ haben, bedeutet, sich am Vorbild Jesu zu orientieren und „nachfolgen seinen Fußtapfen“ (1. Petr. 2,21).

 

Der gerechtfertigte Sünder

Wenn jemand wie der Apostel Paulus in den Fußtapfen Jesu wandeln will und sein Leben im Geiste Christi betrachtet, der kommt zu einer traurigen Erkenntnis: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft; denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, tue, so stimme ich dem Gesetz bei, daß es gut ist. Nun aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, nicht aber das Vollbringen des Guten. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde. Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Gute tun will, daß das Böse bei mir vorhanden ist. Denn ich erfreue mich an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich gefangennimmt in dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich elender Mensch! Wer wird mich retten vom dem Leibe dieses Todes? Dank dem Gott durch Jesus Christus unsern Herrn. Also nun diene ich selbst mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, mit dem Fleische aber dem Gesetz der Sünde“ (Röm. 7,14b-25).

Mit diesen Worten beschreibt der Apostel seinen augenblicklichen Zustand – der Apostel, der für die Ausbreitung des Evangeliums keine Arbeit und keine Gefahr für Leib und Leben gescheut hat. Wenn der ältere der beiden verlorenen Söhne aus der Verkündigung Jesu, der nach eigener Aussage noch nie das Gebot es Vaters übertreten hat (Luk. 15,29), diese Selbstbeschreibung des Apostels lesen würde, dann könnte er in dem durch die Sünde so völlig verdorbenem „Ich“ sich nicht wiederfinden. Der ältere der beiden verlorenen Söhne würde behaupten: Der Apostel beschreibe lediglich seine extrem sündige Vergangenheit, aber keineswegs seinen augenblicklichen Zustand.

Der ältere der beiden verlorenen Söhne könnte auf den Textzusammenhang hinweisen. Im sechsten Kapitel des Römerbriefes beschreibt der Apostel nämlich das Neue Leben: „… dieses wissend, daß unser alter Mensch mit (Christus) gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde aufhöre, damit wir hinfort der Sünde nicht dienen“ (Röm. 6,6). Im 17. Vers heißt es: „Dank sei Gott, daß ihr Knechte der Sünde waret, aber nun gehorsam geworden seid …“ Und im 22. Vers lesen wir: „Nun ihr aber seid von der Sünde freigemacht und Gottes Knechte geworden, …“ Dann kommt das siebente Kapitel des Römerbriefes, in dem der Apostel über seine Sündhaftigkeit klagt. Und das achte Kapitel, das Hohelied der Heilsgewißheit, beginnt mit den Worten: „Also ist jetzt kein Verdammungsurteil für die, (welche) in Christus Jesus (sind)“.

Mit dem Hinweis auf dieses Umfeld, in dem die Sündenknechtschaft als ein zurückliegender Lebensabschnitt beschrieben wird, wird in der Tat behauptet, in Röm. 7 blicke der Apostel lediglich auf seine Vergangenheit zurück. Doch diese Sicht ist mit dem Wortlaut des Textes unvereinbar. In Röm. 7 heißt es nämlich wörtlich (V. 14b): „Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.“ Es ist unmöglich zu übersetzen: „Ich war …“, sondern man kann nur übersetzen: Ich bin …“. Auch kann man das Ich nicht auf einen anderen Menschen beziehen. Es bleibt dabei: Der extrem eifrige Apostel schildert seine eigene augenblickliche Lage, wenn er über seine Sünde erschrocken ist und bekennt, daß er unter die Sünde verkauft ist und daß in ihm nichts Gutes wohnt.

Nur der kann Röm. 7 verstehen, der das Sündenbewußtsein des Apostels hat, das sich wesentlich von dem pharisäischen Sündenbewußtsein des älteren der beiden verlorenen Söhne unterscheidet. Das Sündenbewußtsein des Apostels kommt auch im Umfeld von Röm. 7 zum Ausdruck. So lesen wir im sechsten Kapitel von der Schwachheit des Fleisches (V. 19) und von den Begierden des Leibes (V. 12), denen man nicht gehorchen soll. Aus Röm. 7,7 geht hervor, daß Paulus die Begierde bereits als Sünde wertet. Somit hat er das Sündenbewußtsein der Bergpredigt. Auch im achten Kapitel klingt das Sündenbewußtsein des Apostels durch: „Wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, werdet ihr leben“ (8,13). Es ist also noch etwas da, das zu töten ist; und dieses gewisse Etwas ist Sünde. Der gesamte Textzusammenhang, und nicht nur einige Verse von Röm. 7, zeigt, daß auch derjenige, der in Christus lebt, durch und durch Sünder ist.

Die biblische Erkenntnis, daß auch im Gläubigen Sünde ist, wurde und wird mißbraucht, um ein Leben in der Sünde zu verharmlosen. Man hält sich ja nicht für so scheinheilig wie ein Pharisäer, sondern für einen Sünder, wie ein Zöllner. Ab und zu könne man kleine Sünden begehen, man ist doch ein Sünder. Aber man ist schließlich auch gerecht; somit kann man keine großen Schandtaten tun. Man ist somit bereit, sich in begrenztem Maße mit der Sünde abzufinden. Doch, wenn der Apostel von der Sünde um Wiedergeborenen schreibt, so ist nichts davon zu erkennen, daß er sich mit der Sünde abfindet. Im Gegenteil: Erkenntnis der Sünde ist gleichzeitig eine Kriegserklärung an die Sünde.

Die unbiblische Bereitschaft, sich mit der Sünde abzufinden, führte und führt unter den Gläubigen zu Gegenreaktionen. Man wird sich der Notwendigkeit der Bekehrung stärker bewußt. Zu Jesus umkehren kann niemals falsch sein. Doch unbiblisch wird es, wenn die „Bekehrten“ für ihre Sündhaftigkeit blind werden. Die Vergangenheit, und nur die Vergangenheit, wird in den schwärzesten Farben gemalt. Doch dann kam es zur Buße und zum Durchbruch im Bußkampf. Dieser Zeitpunkt der Bekehrung, der häufig mit Tag und Stunde datiert werden kann, ist die große Wende. Daß man auch nach dem Durchbruch im Bußkampf noch Sünde hat, ist häufig nicht voll bewußt. Dieser Mangel an Sündenerkenntnis kann so weit gehen, daß man meint, völlig sündlos zu sein. Es gibt tatsächlich Menschen, die dies von sich behaupten.

Dabei wird auf folgende Bibelstellen hingewiesen: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, denn er ist aus Gott geboren“ (1. Joh. 3,9). „Wir wissen, daß jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an“ (1. Joh. 5,18). Nicht genügend beachtet wird, daß im gleichen Brief auch zu lesen ist: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Joh. 1,8).

Wie ist es zu verstehen, daß derjenige, der aus Gott geboren ist, weder Sünde tut, noch sündigt, aber Sünde hat? Die Antwort finden wir in den bereits zitierten Worten aus Röm. 7, wo es heißt: „Nun vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes, denn das Wollen ist bei mir vorhanden, nicht aber das Vollbringen des Guten. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde“ (Röm. 7,17-20).

Als Wiedergeborener ist der Apostel eine Neuschöpfung; und deshalb sündigt er nicht. Er hat aber Sünde; denn er hat von Adam sein Fleisch geerbt, das durch die Erbsünde völlig verdorben ist, in dem „nichts Gutes“ wohnt. Dieses durch die Erbsünde völlig verdorbene Fleisch, in dem „nichts Gutes“ ist, ist aber ein anderes Ich als der Apostel. Denn Paulus bezeichnet den Christen selbst nicht mehr als Sünder, als unter der Herrschaft der Sünde befindlich.

Das Leben in Christus ist ein lebenslänglicher Krieg gegen dieses andere Ich, gegen das Fleisch. „Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, aber der Geist wider das Fleisch; diese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht tut, was ihr wollt“ (Gal. 5,17). Es ist somit ein Irrtum, die Buße auf einen bereits abgeschlossenen Lebensabschnitt zu reduzieren, in dem sich ein Wandel von einem sündigen Zöllner zu einem gerechten Pharisäer vollzogen hätte. Sondern Buße ist, wie Martin Luther in seiner ersten These zutreffend feststellt, etwas, was sich über das ganze Christenleben erstrecken muß.

Es dürfte kaum jemanden geben, der von sich behauptet, weniger sündig zu sein als der Apostel Paulus. Wer das in Röm. 7 beschriebene Sündenbewußtsein bei einem Gläubigen für übersteigert hält, der muß folgerichtig bestreiten, daß der Apostel überhaupt den sündigen Zustand eines Bekehrten beschreibt. Der Bibeltext wird dann in einer Weise zurechtgebogen, damit er mit der eigenen Ansicht übereinstimmt.

Zurechtbiegen – anders kann man es nicht nennen, wenn die eindeutigen Worte „ich bin“ so ausgelegt werden, als ob es hieße „ich war“. Wem es an Sündenbewußtsein fehlt, der wird sich schwerlich in der Gemeinschaft der Sünder sehen, der wird mit Sündern in pharisäischer Weise umgehen.

 

„Es war schon immer so gewesen“

Die Agitatoren der Prügelpädagogik, z. B. Norbert Homuth in den von ihm herausgegebenen Glaubensnachrichten vom Jan. 2008 und vom Febr. 2008, führen den Anstieg der Jugendkriminalität auf die Abkehr von der körperlichen Züchtigung zurück. Doch nicht jeder statistische Zusammenhang spiegelt das Verhältnis von Ursache und Wirkung wider. Damit die zukünftigen Ärzte keine voreiligen Schlüsse ziehen, lernen die Medizinstudenten, daß in irgendeinem mecklenburgischen Dorf die Zahl der Störche zunahm und parallel dazu die Kinderzahl anstieg. Dieses Beispiel zeigt, daß nicht jedes statistische Zusammentreffen einem Kausalzusammenhang entspricht. Und wenn es doch einen kausalen Zusammenhang geben sollte, dann können die Wirkungsmechanismen durchaus anders sein, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Außerdem ließe sich wahrscheinlich auch ein Dorf finden, bei dem der Rückgang der Storchenpopulation mit einem Anstieg der Kinderzahl einhergeht. Aus der Fülle des statistischen Materials kann sich somit jeder das aussuchen, was er braucht, um den Leuten das weiszumachen, was er ihnen weismachen will.

Gegner der Prügelpädagogik argumentieren mit der Biographie Adolf Hitlers4, der einen besonders edlen Charakter hätte gehabt haben müssen, wenn die Prügelpädagogik das Allheilmittel wäre, für das dessen Befürworter es uns anpreisen. Ähnlich könnte man mit der Biographie Stalins5 argumentieren. Und wie ist es möglich, daß schon Martin Luther über die Verdorbenheit der Jugend6 zu klagen hatte, obwohl damals exzessive Prügelpädagogik doch das selbstverständlichste von der Welt war?

Das, was immer schon gewesen sei, darf für uns kein Maßstab sein. Denn nicht nur die Prügelpädagogik war gang und gäbe, sondern auch viele Bluttaten, Scheiterhaufen und Hexenwahn. Von dem, was damals allgemein üblich war, konnten sich auch die Reformatoren nicht freihalten. Zwar war Luther ein Gegner von Ketzerverfolgungen,7 deren Opfer häufig Lutheraner waren. Er führte die Kriege des Reiches Gottes mit dem „Schwert des Geistes“ (Eph. 6,17). Durch Schriften sollten die Ketzer überwunden werden, nicht durch Feuer.

Doch als diese geistliche Waffe nicht auszureichen schien, um die Ausbreitung der Wiedertäufer einzudämmen, da haben Luther und andere Wittenberger Theologen umgedacht.8 Ihre Ablehnung der Ketzerverfolgung haben sie zwar nicht widerrufen, aber sie meinten, es sei Aufgabe der Obrigkeit, Aufruhr und Gotteslästerung zu bekämpfen.9 Das mittelalterliche Denken von der Einheit von staatlichem und geistlichem Leben hatten die Reformatoren nicht überwunden. Weltliche und geistliche Herrschaft wurde damals als untrennbar empfunden. Als das letzte Ziel auch des Staates wurde die Ehre Gottes angesehen, die in der Erhaltung der „reinen Lehre“ gesucht wurde. Irrlehren wie die der Täufer waren dann, wenn auch mit anderer Begründung als bei den Katholiken, von der Obrigkeit zu verfolgen.10

Die Argumentation, mit der es Luther fertigbrachte, trotz der von ihm selbst gelehrten biblischen Zweireichelehre die Obrigkeit aufzufordern, die Wiedertäufer dem Henker zu übergeben, finden wir in seiner Auslegung von Ps. 82,4.11 Die Wiedertäufer seien nicht allein Ketzer, sondern darüber hinaus auch öffentliche Lästerer. Glaubensfreiheit gestand Luther ihnen angeblich zu, nicht aber das Lehren und Lästern. Jesu Worte: „Gehet hin in alle Welt …“ – so Luther in seiner Auslegung des 82. Psalms – sei ein Befehl für die Apostel, nicht aber für uns. Heute habe jeder Bischof und jeder Pfarrer seinen Bereich. Da die Wiedertäufer aber kein Pfarramt haben, sollen sie auch nicht predigen, weder öffentlich noch heimlich.12

Die Pflicht des Bürgers sei, derartige „winckel schleicher“ bei der Obrigkeit und beim Pfarrer zu denunzieren. Eine derartige Aufforderung setzt voraus, daß Kirchengemeinde und politisches Gebiet als Einheit gesehen wurden. Das wird in einem Gutachten13 Melanchthons von 1536, dem Luther ausdrücklich zustimmte, deutlich. Auch die Täufer, die verschiedene als aufrührerisch empfundene Glaubensartikel nicht vertreten, machen sich aber – so Melanchthon mit Luthers Zustimmung – eines „gotteslästerlichen“ Artikels schuldig, nämlich, „daß sie das öffentlich ministerium verbi [Dienst am Wort, der Verf.] verdammen, und die Leut davon ziehen, und doch auch selb keine Kirchen haben“.

Unter Melanchthons Gutachten stehen folgende Worte: „Placet mihi Martino Luthero. Wiewohl es crudele anzusehen, daß man sie mit dem Schwert straft, so ist doch crudelius, daß sie ministerium verbi damniren, und keine gewisse Lehre treiben, und die rechte Lehre unterdrucken, und dazu regna mundi zerstören wollen. M. L.“ In Gestalt angeblicher Blasphemie begegnet uns der traditionelle Vorwurf der Ketzerei als Ursache für ein Todesurteil. So mancher Täufer hatte seinen Tod letztlich den Wittenberger Reformatoren mit ihrer Gotteslästerertheorie zu verdanken14 – und das trotz der von eben diesen Wittenberger Reformatoren gelehrten biblischen Zweireichelehre.

„Der Acker ist die Welt.“ (Matth. 13,38) – diese Worte Jesu wurden von Melanchthon in eine Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche aufgenommen.15 Doch entgegen Jesu Warnung hatte man zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus der Welt ausgejätet und derartige Untaten ebenfalls in den Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche beschönigt. So wird am Ende der Vorrede zur Konkordienformel16 das „heilsame Mittel“ einer Druckzensur empfohlen. Und in der Konkordienformel17 kann man lesen, daß die Irrlehren der Wiedertäufer „weder in der Kirchen noch in der Polizei und weltlichem Regiment noch in den Haushaltungen zu dulden noch zu leiden“ seien.

Die Kraft der Verführung wirkte sich auch im Hexenwahn aus. Die Hexenverfolgungen in der Zeit zwischen ca. 1560 und dem Ende des 17. Jahrhunderts lassen sich nicht einzig und allein durch kriminelle Energie in einem frommen Mäntelchen – auch das hat es gegeben – erklären, sondern auch gelehrte und tiefgläubige Männer – sowohl Lutheraner als auch Reformierte als auch Katholiken – waren in ihrem religiösen Eifer fehlgeleitet worden.18 Hexenwahn und Ketzerverfolgungen zeigen, daß das, was traditionell gang und gäbe war, nicht unbedingt gottwohlgefällig sein muß. Das gilt auch für die Prügelpädagogik.

Die Gefahr der Verführung liegt in dem vielen Richtigen, das die Verführer predigen und unter dem sie ihr teuflisches Gift unter die Leute bringen. So lag die Verführungskraft der Pharisäer in dem vielen Richtigen, das sie verkündigten. „Alles nun, was sie [die Schriftgelehrten und Pharisäer] euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln“ (Matth. 23,3). Die Jünger der Pharisäer sprachen zu Jesus: „Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen“ (Matth. 22,16). Die Pharisäer sagten auch, daß Elia vor dem Messias kommen muß (Mark. 9,11) und daß Christus in Bethlehem geboren werden wird (Matth. 2,5). Nicht einmal alle Worte des Teufels sind falsch. Denn er sagte wahrheitsgemäß: „Es steht geschrieben: ‚Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt’“ (Matth. 4,6). Ein unreiner Geist nannte Jesus „Sohn Gottes, des Allerhöchsten“ (Mark. 5,7). Und eine Magd mit einem Wahrsagegeist schrie von Paulus und seinen Begleitern: „Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen“ (Apg. 16,17). Auch diese Teufelsbotschaft entsprach der Wahrheit. Doch nicht der Teufel soll das Gotteswort verbreiten, sondern die Gläubigen. So trieb der Apostel Paulus den Geist aus, obwohl er die „reine Lehre“ verkündigte.

Auch Luther hatte viel Richtiges gepredigt. Doch seine kriminelle Energie, aufgrund derer er die Obrigkeiten anstiftete, die Baptisten seiner Zeit umzubringen, konnte unmöglich ohne Auswirkungen auf seine Verkündigung bleiben. Und die kriminelle Energie ist die Gemeinsamkeit, die ihn mit den Pharisäern der Zeit Jesu und mit dem Papst in Rom verbindet. All diese Banditen, sowohl die Pharisäer als auch der Papst als auch Luther, wußten, daß die Sünder in die Hölle kommen. Deshalb entfalteten die Pharisäer eine große Gelehrsamkeit, um Wege zu finden, möglichst viel Bosheit ihres Herzens auszuleben, ohne dabei zu sündigen. Auf ein Beispiel für eine derartige Auslegungsakrobatik weist Jesus in seiner Polemik gegen die Pharisäer hin (Matth. 15,3-9; Mark. 7,6-13): Verpflichtungen Gott gegenüber haben Vorrang vor Verpflichtungen Menschen gegenüber. Diesen einleuchtenden Gedanken kann man nutzen, um seinen bedürftigen Eltern etwas auszuwischen. Man braucht nur dem Tempel zu geben, was die Eltern erhalten sollten. Wie die Pharisäer hatten auch die päpstlichen Bluthunde keinen Glauben und folglich auch keine Früchte des Glaubens. Deshalb hängten sie scheinbare Früchte an den Baum, wie Äpfel am Weihnachtsbaum hängen. Doch durch äußerliche Werke, die zum Teil auch noch dazu von Menschen selbst erdacht worden waren (z. B. Klosterleben, Wallfahrten …), die ewige Seligkeit zu verdienen, das entlarvte Luther als Irrweg. Demgegenüber wies er sehr pointiert auf Röm. 3,28 hin, wo es im griechischen Urtext heißt: „So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, durch den Glauben“. Und Luther fügte zum Gotteswort noch ein „allein“ hinzu, „allein durch den Glauben“. Und in der Tat sind die Gesetzeswerke ausgeschlossen, durch die die Pharisäer und Katholiken trotz der Bosheit ihrer Herzen die ewige Seligkeit verdienen wollten bzw. verdienen wollen. Doch sind auch die Glaubenswerke ausgeschlossen? Jedenfalls wird im Jüngsten Gericht nach Werken geurteilt werden, wenn Jesus sagen wird: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen“ (Matth. 25,35f). Daß die Gerechten sich dieser ihrer Werke nicht bewußt sind, zeigt, daß es sich hierbei nicht um Werke im eigentlichen Sinne handelt, daß es sich nicht um äußerliche Taten handelt, die aus irgendwelchen eigennützigen Motiven vollbracht werden; sondern die Handlungen sind Auswirkungen der Nächstenliebe. Sie sind vergleichbar mit den Früchten eines guten Baumes. Ein Baum ist zu keiner eigenen Willensentscheidung fähig, sondern aufgrund einer biologischen Gesetzmäßigkeit wachsen die Früchte aus ihm heraus. Derartige Früchte sind zu unterscheiden von den äußerlichen Taten der Heuchler. Diese gaben Almosen und ließen vor sich posaunen (Matth. 6,2). Jesus sagt von ihnen: „Sie haben ihren Lohn dahin“, ganz im Unterschied zu anderen Almosengebern, denen Gott vergelten wird. Also gibt es einen Lohn, also gibt es eine Vergeltung für gottwohlgefällige Taten.

Es gibt unterschiedliche Wege zur Hölle. Der eine Weg ist der, den der Papst zeigt, indem er uns weismachen will, durch eigene gute Werke die ewige Seligkeit selbst verdienen zu können. Daß nicht alle Katholiken Luther zustimmen, wenn er diesen Irrweg ablehnt, liegt auch daran, daß die Alternative, die der Reformator aufzeigt, nicht genau der biblischen Botschaft entspricht. Luther betrachtete die Rechtfertigung ausschließlich forensisch. Das heißt, von dem Sünder, der im Jüngsten Gericht erscheint, behauptet Gott wahrheitswidrig, er sei gerecht, ohne daß er in Wirklichkeit gerecht ist.

Vielleicht trägt der Hinweis, daß Luther Jurist war, bevor er ins Kloster ging, etwas zum Verständnis seiner Auffassung bei. Damals wie heute behaupten Juristen einfach einen Sachverhalt, den sie nicht beweisen können und von dem sie häufig wahrscheinlich selbst nicht überzeugt sind, und bauen darauf ihr Urteil auf. Zur Zeit Luthers war der behauptete Sachverhalt häufig Hexerei. Hexerei kann man lediglich behaupten, nicht aber beweisen. Trotzdem wurden vorwiegend Frauen wegen dieses Fehlverhaltens zum Tode verurteilt. Auch ich war wiederholt im Gefängnis, weil ich einen namentlich genannten „gesetzestreuen“ Tötungsspezialisten für ungeborene Kinder mehrfach dadurch beleidigt hätte, daß ich ihn öffentlich als „Berufskiller“ bezeichnet hatte.19 In den vielen Gerichtsurteilen befindet sich der Vorwurf, daß ich gegen besseres Wissen die feststehenden Begriffe Mensch und Embryo „verdreht“ hätte. Daß ich das wider besseres Wissen getan hätte, sei durch Kopien aus Gesetzeskommentaren nachgewiesen, die man bei einer Haussuchung bei mir gefunden hatte. Also: Daß der Embryo kein Mensch sei, wurde nirgendwo bewiesen, sondern lediglich behauptet und in Gesetzeskommentare geschrieben. Und auf der Grundlage dieser frei erfundenen unwahren Behauptung, die durch einen Willkürakt in den Rang einer „Tatsache“ erhoben worden war, wurde ich mehrfach ins Gefängnis geworfen.

Daß man einen Sachverhalt, den man nicht beweisen kann, einfach behauptet und dadurch in den Rang einer „Tatsache“ erhebt, so daß man aufgrund dieser angeblichen „Tatsache“ Menschen ins Gefängnis wirft, ist bei Volksverhetzungsprozessen gang und gäbe. Es wird einfach behauptet, es sei offenkundig, daß sechs Millionen Juden vergast worden seien. „Beweise“, die es früher gegeben hatte, wurden nach und nach als Fälschungen entlarvt, z. B. die Gaskammer in Dachau und inzwischen sogar die Gaskammer in Auschwitz. Von den Tätergeständnissen wurde bekannt, daß sie (wie seinerzeit bei den Hexen) durch Folter erpreßt worden waren. Doch daß die „Beweise“ inzwischen nach und nach weggebrochen sind, interessiert heute nicht mehr. Denn die Offenkundigkeit der Gaskammern, von denen niemand weiß, wo sie sich befanden, steht nun einmal juristisch fest. Und wer den sechsmillionenfachen Völkermord leugnet oder auch nur verharmlost, wird wegen Volksverhetzung verurteilt. Ein Urteil auf eine bloße Behauptung, deren Wahrheitsgehalt man nicht beweisen kann, gründen, die aber durch irgendeinen juristischen Rechtsakt in den Rang einer offenkundigen „Tatsache“ erhoben worden ist, ist charakteristisch für die Niederungen juristischen „Denkens“.20Und in derartigen Niederungen scheint Luther verdorben worden zu sein.

Daher unterstellt er Gott, er würde im Jüngsten Gericht in der Weise der damaligen Hexenrichter sein Urteil auf eine unwahre Tatsachenbehauptung gründen. Diese wäre, daß der Sünder Martin Luther sündlos und heilig sei, da Gott in ihm die Sündlosigkeit und Heiligkeit Jesu sehe. Zwar nicht selbst andere hinrichten – diese Schändlichkeit wirft er dem Papst vor –,21 aber zumindest die weltliche Obrigkeit anstiften, die damaligen Baptisten umzubringen. Doch wir würden nicht durch Werke gerecht, sondern allein durch den Glauben. In der „lutherischen“ Tradition wird Jesu Bild von den Früchten des guten Baumes in der Weise ausgelegt, daß mit den Früchten die Lehre gemeint sei und nicht die Werke. Denn die Werke sind unvollkommen, doch die Lehre sei rein. Zumindest bescheinigen sich das die „rechtgläubigen“ Theologen gegenseitig.

Doch wenn Gott rechtfertigt, dann bezeichnet er den Sünder nicht nur als gerecht, sondern er macht ihn auch gerecht. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor. 5,17). Und im Galaterbrief schreibt derselbe Apostel: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2,20). Der Gläubige ist nicht erst nach dem Jüngsten Gericht eine neue Kreatur, sondern schon jetzt. Schon jetzt lebt Christus im Apostel, und nicht erst nach dem Jüngsten Gericht. Und dieses neue Leben ist ein Leben in der christlichen Heiligung. Von daher gehören Rechtfertigung und Heiligung zusammen.

Wenn Paulus in Röm. 1,17 den Propheten Habakuk zitiert „Der Gerechte wird aus Glauben leben“, so wird dieses Zitat von „Lutheranern“ häufig einzig und allein auf die Rechtfertigung bezogen. Doch der Gerechtfertigte lebt doch nicht erst im Himmel aus Glauben, sondern er lebt schon jetzt aus Glauben. „Leben wir, so leben wir dem Herrn“ (Röm. 14,8). Und dieses Leben im Herrn ist ein Leben in der christlichen Heiligung. Die Heiligung ist nicht in dem Sinne eine Folge der Rechtfertigung, daß die Rechtfertigung nicht in Frage gestellt werden würde, wenn die Heiligung ausbleiben sollte. Es ist nicht so wie bei der Eisenbahn. Die Lokomotive, die hier mit der Rechtfertigung verglichen werden soll, zieht die Waggons der Heiligung. Doch bei der Eisenbahn hört die Lokomotive nicht auf eine Lokomotive zu sein, wenn an ihr keine Waggons hängen. Doch so ist es im Glauben gerade nicht. Im Glauben ist es vielmehr so wie bei einem guten Baum, aus dem gute Früchte herauswachsen. Trägt er keine guten Früchte, dann ist er auch kein guter Baum. Das bedeutet aber nicht, daß die Früchte den Baum zum guten Baum machen würden; sondern der Baum wird lediglich an seinen Früchten erkannt. Denn ein Baum, den man beim Gärtner kauft, ist bereits ein guter Baum, auch wenn er noch keine Früchte getragen hat. Und der Verbrecher, dem Christus am Kreuz die Seligkeit verheißen hat, hatte weder Hungrige gespeist, noch Durstige getränkt, noch Nackte bekleidet, noch Kranke oder Gefangene besucht. Derartige von Menschen als gut empfundene Werke hatten aber die Pharisäer getan. „Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden“ (Matth. 23,5).

Gegen den Irrweg, sich durch derartige Werke die Seligkeit verdienen zu wollen, wendete sich Luther zu Recht. Doch Luther war ein Bluthund, der selbst nicht den Weg des Glaubens ging. Das mußte sich zwangsläufig auf seine Verkündigung auswirken. Da er nicht an Jesu Hand dem himmlischen Ziel entgegenging, konnte er auch nicht andere auf dieser Pilgerreise begleiten. Daher blieb ihm Jesu Verkündigung von den Früchten der Heiligung, die ein guter Baum hervorbringt, unverständlich. Denn Luther war ein übler Baum, der üble Früchte des Blutvergießens hervorbrachte. Daher konnte er nicht begreifen, daß Jesusnachfolger, wofür er sich fälschlicherweise hielt, gute Früchte hervorbringen könnten. Solche mußten ihm vielmehr als Werkgerechtigkeit erscheinen, also als der Irrweg, um sich trotz der Bosheit des eigenen Herzens durch irgendwelche äußerlichen Werke die ewige Seligkeit zu verdienen.

Es soll hier nicht bestritten werden, daß Luther weitgehend den richtigen Weg zeigte. Doch das taten auch die Pharisäer, von denen Jesus sagt: „Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln“ (Matth. 23,3). Auch ein Wegweiser zeigt meistens den richtigen Weg. Aber ein Wegweiser geht nicht selbst den Weg, den er den Leuten zeigt. Biblischer Glaube ist dagegen, nicht nur anderen den richtigen Weg zu zeigen, also nicht nur anderen die „reine Lehre“ zu verkündigen, sondern auch selbst dem himmlischen Ziel entgegenzugehen und andere auf dieser Pilgerreise mitzunehmen. In der „lutherischen“ Tradition hingegen wurde seit Luther das Leben in Christus von der „reinen Lehre“ abgekoppelt. „Glaube“ wurde auf intellektuelles Geschwafel eingeengt, das sich im Leben nur begrenzt auswirkt. Und wo Christus nicht das Leben regiert, dort entfaltet sich die Bosheit des menschlichen Herzens. Anstatt in der Verkündigung das Leben in Christus des durch des Erlösers Blut Gerechtfertigten zu entfalten, war es auch im „Luthertum“ traurige Tradition, Kinder durch Prügelpädagogik bessern zu wollen.

 

Die Zweireichelehre

Die Prügelpädagogik ist heute in Mißkredit gekommen, leider aber aus den falschen Gründen heraus. Die falschen Gründe sind der Irrtum, daß der Mensch gut sei. Fehlverhalten sei lediglich eine Folge von Krankheit oder schlechter gesellschaftlicher Einflüsse. Nicht der einzelne Übeltäter sei schuld an seinen Untaten, sondern er sei vielmehr Opfer der mangelhaften gesellschaftlichen Verhältnisse. In der Strafjustiz werden die Verbrecher dann folgerichtig mehr wie Opfer als wie Täter behandelt.

Im klaren Gegensatz zu den heute weitverbreiteten Irrtümern lehrt die Bibel: „Das Sinnen des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an“ (1. Mose 8,21). „Aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen“ (Matth. 15,19). „Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes“ (Röm. 7,18).

Diese biblische Lehre ist auch den „christlichen“ Prügelpädagogen nicht voll bewußt, denn sonst wüßten diese, daß die menschliche Bosheit nicht durch körperliche Züchtigung überwunden werden kann; sondern der Kampf gegen die Sünde kann nur vom neuen Leben in Christus her erfolgen.

Wer aber meint: „Es gibt keinen Gott.“ (Ps. 14,1), bei dem wird die Entfaltung der Bosheit folglich auch nicht durch das Gotteswort behindert. Die Bibel zeigt uns, wie die Gottlosigkeit sämtliche Schandtaten und Verbrechen hervorbringt.22

Obwohl die Gläubigen eine verschwindende Minderheit sind, obwohl sie wie Schafe mitten unter Wölfen (Matth. 10,16) leben, können sie häufig dennoch überleben. Denn Gott regiert nicht nur unter den Gläubigen, sondern er regiert auch die Welt. Die Welt regiert er auf eine völlig andere Weise als die Gemeinde. So lesen wir in Röm. 13,4, daß die Obrigkeit als Gottes Dienerin „das Schwert“ führt. Solche Worte klingen ganz anders als die Bergpredigt.

Denn Menschen, die nach dem Motto „Es gibt keinen Gott.“ (Ps. 14,1) handeln, werden nicht das meiden, was moralisch verwerflich ist, sondern nur das, von dem sie unerwünschte Folgen befürchten. Folglich kann sich die Obrigkeit nicht darauf beschränken, die Übertreter staatlicher Gesetze mit dem Gotteswort zu belehren, sondern sie muß „das Schwert“ „führen“. Durch Strafe wird niemand gebessert, sondern es wird lediglich an den Symptomen kuriert. Verbrecher erhalten lediglich ein Motiv, die Normen der Gesellschaft zu beachten. Doch in dem Maße, in dem die Furcht vor unerwünschten Folgen schwindet, wird die Bosheit des Herzens mehr und mehr ausgelebt.

In der Sowjetunion wurde zur Zeit Stalins die Lehre verkündigt: „Es gibt keinen Gott“. Ein überdimensionales Gefängnis- und Straflagersystem hatte die Verbrechen, die diese atheistische Philosophie hervorbringt, eingedämmt. Zwar war bei weitem nicht jeder Insasse in Stalins Straflagersystem ein Übeltäter, aber dennoch hat sich durch Schandtaten die Wahrscheinlichkeit erhöht, eingesperrt zu werden.

Die gleichen Untertanen Stalins, die sich in der Sowjetunion halbwegs anständig benommen hatten, kamen als Soldaten bei der „Befreiung“ Deutschlands in eine völlig andere Situation. Sie erhielten Flugblätter,23 in denen sie zu Verbrechen aufgefordert wurden. Nun mußte jedem Sowjetsoldaten klar sein, daß keine Strafandrohung mehr besteht. Folglich hatte man die Auffassung „Es gibt keinen Gott.“ der deutschen Bevölkerung vorgelebt.

Eines muß man den Kommunisten jedoch hoch anrechnen. Sie haben wenigstens die Grundlage ihrer Lehre nicht verborgen. Jeder weiß, daß die Kommunisten behaupten: „Es gibt keinen Gott“. Um den Sachverhalt einmal in der biblischen Begrifflichkeit (Matth. 7,14f) auszudrücken, kann man sagen: Kommunisten sind Wölfe im Wolfspelz. Doch wesentlich gefährlicher sind die Wölfe im Schafspelz. Diese Art von Wölfen versteht es nämlich, die antichristliche Wurzel und Triebkraft ihrer Denk- und Handlungsweise zu verbergen. Lediglich gedankliche Schlußfolgerungen werden als „Fakten“ deklariert und zusammen mit wirklichen Tatsachen zum Beispiel in Schulbüchern verbreitet.

So findet man im Geschichtsschulbuch neben vielen geschichtlichen Informationen die als „Tatsache“ getarnte Glaubensüberzeugung, daß sich der Mensch aus dem Tierreich entwickelt habe. Die gleiche als „Tatsache“ getarnte Glaubensüberzeugung wird im Biologiebuch zwischen Informationen aus dem Bereich der Biologie gestreut.

Das alles wird dadurch besonders schlimm, daß viele Religionslehrer und Pfarrer dem im wesentlichen zustimmen. Diese „geistlichen“ Herren verstehen gewöhnlich wenig von den mit der Evolutionslehre verbundenen naturwissenschaftlichen Problemen. Aber sie haben gehört, daß nur Dummköpfe die Evolutionslehre ablehnen. Um nicht als solche angesehen zu werden, erweisen sich besonders Pfarrer und Religionslehrer, die von der Sache selbst am wenigsten verstehen, als die eifrigsten Verteidiger der Evolutionslehre. Es ist genau wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.

Man staunt oft mitunter, in welcher Offenheit Evolutionisten, die in der Materie stehen, über die fachlichen Probleme sprechen können. Sie sehen, wie wackelig ihre „Beweise“ sind. Doch ihr eigentlicher „Beweis“ ist der, daß alles existiert. Das bedeutet: Der eigentliche „Beweis“ für die Evolutionslehre ist das unbewiesene Dogma: „Es gibt keinen Gott“. Und an dieser Denkvoraussetzung hängt sehr viel, besonders im persönlichen Leben. Denn gibt es einen Gott, dann könnte es auch ein Jüngstes Gericht und neben einem Himmel auch eine Hölle geben. Dann müßte man sich für jede Schandtat, für jeden Ehebruch, … vor Gott verantworten – welch grauenhafter Gedanke und welch mächtiges Motiv, in die Auffassung „Es gibt keinen Gott.“ zu fliehen. Und dieses Dogma, das oftmals unausgesprochen im Hintergrund steht, führt zu vielen Fehlleistungen bei der naturwissenschaftlichen Forschung.

Doch von Naturwissenschaft verstehen Pfarrer und Religionslehrer häufig wenig und fallen deshalb auf vielen Unsinn herein. Dabei geraten sie in einen Gegensatz zu den traditionellen Glaubensinhalten. In diesem Spannungsfeld versuchen sie sich dann irgendwie durchzumogeln.

Den kleinen Kindern erzählt man im Religionsunterricht, wie Gott Adam und Eva geschaffen und viele Wunder getan hat. Sind die Kinder aber größer, dann erklärt womöglich derselbe Lehrer, daß diese Glaubenswahrheiten von den naturwissenschaftlichen und historischen Fakten zu unterscheiden seien. Die Kinder müssen ja den Eindruck bekommen, vorsätzlich belogen worden zu sein, daß die Religionslehrer und Pfarrer selbst nicht glauben, was sie den Leuten erzählen. Denn den Hokuspokus mit den unterschiedlichen Wahrheiten können die Kinder nicht nachvollziehen.

Die atheistischen Denkvoraussetzungen wirken sich auch auf die Betrachtung des Gotteswortes aus. Ebenso wie die Schöpfung, so ist auch das Bibelwort unbestreitbar vorhanden. Wer verneint, daß Gott das Bibelwort offenbart hat, der muß folgerichtig behaupten, daß Menschen es entwickelt haben.

Und so erzählt man den Kindern im Religionsunterricht, wer angeblich welche Bibelinhalte entwickelt hätte. Auch wenn die Details nicht interessieren und ohnehin bald vergessen werden, so können bereits Kinder mit sehr wenig Denkarbeit aus dem im Religionsunterricht gelernten zu folgender sehr wesentlichen Schlußfolgerung kommen: Der christliche Glaube sei von Menschen entwickelt worden und beruhe somit nicht auf einer Offenbarung Gottes, sondern auf menschlichen Gedanken. Wie kann ein vermeintlich von Menschen entwickeltes „Gotteswort“ überhaupt noch Maßstab und Richtschnur für irgend etwas sein?

Nicht nur die Bindung an Gott wird bekämpft, sondern bereits schon der Gedanke, daß es Moralnormen gibt. Erzieherinnen von Kleinkindern werden angewiesen, die Vokabel „Böse“ nicht zu gebrauchen. Und diese ethische Orientierungslosigkeit ist ein idealer Nährboden für Kriminalität.

Konsequenzen, die in einem Gedankensystem liegen, werden früher oder später von irgend jemandem gezogen. Dostojewski zeigt dies in seinem Roman „Die Brüder Karamasow“. Einer von drei Brüdern kam an der Universität mit atheistischem Gedankengut in Berührung und hat dieses im Kreise der Familie verbreitet. Er selbst hat keine Verbrechen begangen. Aber sein epilepsiekranker Bruder schlußfolgerte aus dem atheistischen Gedankengut: Wenn es keinen Gott gibt, dann kann ich meinen Vater umbringen. Er tötete seinen Vater. Ein vorgetäuschter epileptischer Anfall diente ihm als Alibi.

Es ist nicht entscheidend, ob die Propagandisten des Unglaubens und die Theologieprofessoren, die das Vertrauen in das Bibelwort zerstören, persönlich Straftaten begehen; sondern die Auswirkungen von einmal freigesetztem Gedankengut entziehen sich der Kontrolle. Es ist so, wie Goethe es im Zauberlehrling mit folgenden Worten beschreibt: „Die Geister, die ich anrief, die werd ich nicht mehr los“.

Mir sagte einmal ein Ganove sinngemäß: Ich habe viel in Kaufhäusern gestohlen, habe auch schon (im Gefängnis) gesessen. Trotzdem hat sich die Sache gelohnt. Mit welchen Argumenten kann man diesen Mann, der sich Gott gegenüber nicht für verantwortlich hält, überzeugen, daß seine Handlungsweise falsch ist? Als Sachkundiger kann er den Wert des Diebesgutes besser gegen das Risiko des Erwischtwerdens und das Strafmaß abwägen als ein Außenstehender. Weitgehende strafrechtliche Immunität genießen in der Bundesrepublik Deutschland Jugendliche und besonders Kinder. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen.

Gern hätte ich an dieser Stelle auf statistisches Material hingewiesen, aus dem hervorgeht, ob die Gläubigen (die regelmäßigen Kirchgänger, die Angehörigen verschiedener Glaubensgemeinschaften u. s. w.) bei den Straftätern über- oder unterrepräsentiert sind. Wie ich auf meine Anfragen hin erfuhr, ist weder beim Statistischen Bundesamt noch beim Bundeskriminalamt etwas von der Existenz derartigen statistischen Materials bekannt. Die Tatsache, daß alles mögliche, nur die Straffälligkeit der Gläubigen nicht, statistisch erfaßt wird, zeigt, daß wir es hier mit einem Tabuthema zu tun haben.

Wer nicht in der Verantwortung vor Gott lebt, der wird nur das meiden, von dem er unerwünschte Folgen befürchtet. Es ist Aufgabe der Obrigkeit, in ihrer Eigenschaft als „Gottes Dienerin“ dadurch, daß sie das „Schwert“ führt, für die notwendigen unerwünschten Folgen zu sorgen. Auf diese Weise regiert Gott die Welt, in der die Gläubigen als Fremdlinge leben.

Gott regiert aber auch ein völlig anderes Reich, in dem die Gläubigen nicht als Fremdlinge leben, sondern in dem sie zu Hause sind. Der gleiche Gott, der durch weltliche Obrigkeiten, die „das Schwert“ führen, in der Welt einigermaßen die öffentliche Ordnung aufrechterhält, regiert gleichzeitig auch ein anderes Reich – das Reich Gottes – auf völlig andere Weise. Gott regiert sein Reich nicht durch das „Schwert“, das weltliche Obrigkeiten führen und führen müssen, sondern durch sein Wort.

Diese biblische Zweireichelehre ist ein Punkt, in dem sich lutherische Theologie von reformierter Theologie unterscheidet. In der reformierten Theologie wird das Reich Gottes nicht genügend von der Welt unterschieden. Bibelstellen, aus denen aber dieser Unterschied hervorgeht, werden dann folgerichtig entsprechend der reformierten Theologie zurechtgebogen.

Ein besonders deutliches Beispiel findet man in den Kommentaren zu Jesu Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. In diesem Bild vergleicht Christus das Himmelreich mit einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, säte dessen Feind Unkraut zwischen den Weizen. Beides ging auf. Die Knechte des Hausvaters schlugen vor, das Unkraut auszujäten. Doch dieser wehrte ab: „Nein, damit ihr nicht etwa beim Zusammenlesen des Unkrauts zugleich mit demselben den Weizen ausraufet. Laßt beides zusammen wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Leset zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber sammelt in meine Scheune“ (Matth. 13,24-30). Als die Jünger Jesus baten, ihnen dieses Gleichnis zu deuten, erklärte er: „Der Acker ist die Welt. Der gute Same aber, diese sind die Söhne des Reiches. Das Unkraut aber sind die Söhne des Bösen“ (Matth. 13,38).

In reformierten Auslegungen kann man immer wieder lesen, der Acker sei die Kirche. Und dann wird versucht zu erklären, weshalb Jesus „Welt“ sagt, obwohl er angeblich die Kirche meine. Man übersieht den prinzipiellen Unterschied von Welt einerseits und Gemeinde bzw. Reich Gottes anderseits und korrigiert Jesu Worte gemäß der eigenen Auffassung. Das wirkt sich so aus, daß man in Bezug auf die Irrlehren in der Gemeinde sagt: „Lasset beides miteinander wachsen“. Erscheint die Irrlehre aber zu groß, dann argumentiert man mit anderen Bibelstellen und bekämpft die falschen Auffassungen. So wurde im Jahre 1553 Servet, der die Trinität leugnete, auf Veranlassung des Schweizer Reformators Calvin (der übrigens Jesu Gleichnis in einer Weise auslegte, als ob mit dem Acker die Kirche gemeint sei)24 in Genf hingerichtet. Wiedertäufer wurden getötet. Noch bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein war es üblich, die Polizei auf „Sektierer“ zu hetzen. Daß man die geistlichen Kriege des Reiches Gottes mit Mitteln des anderen Reiches zu führen bereit ist, ist eine Auswirkung davon, daß man Reich Gottes und Welt entgegen der Predigt Jesu nicht gedanklich klar voneinander trennt.

Die Vermischung der beiden Reiche ermöglicht es auch den Kriegspropagandisten, rein politische Kriege als Glaubenskriege zu verklären. Beispiele hierfür gibt es in jüngster Zeit besonders in Amerika, ein Land, das wesentlich durch reformierte Theologie geprägt ist. Sowohl der Erste Weltkrieg gegen den undemokratischen deutschen Kaiser als auch der gemeinsame Krieg mit Stalin für Demokratie und für Glaubensfreiheit wurden mit den Emotionen einer Art endgültigen Harmagedon25-Kampfes, an den sich die ewige Friedensära anschließen werde, verbunden. Das gleiche galt auch vom Kalten Krieg gegen das „Reich des Bösen“, die Sowjetunion.26

Gläubige konnten nur deshalb auf derartige Kreuzzugspropaganda hereinfallen, weil ihnen die biblische Zweireichelehre fehlte, die Zweireichelehre, wonach die Welt, also jedes Land, einschließlich das eigene, im Argen liegt (1. Joh. 5,19). Jesus sagt: „In der Welt habt ihr Drangsal; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh. 16,33). Ebenfalls sagt Christus: „Den Frieden lasse ich euch, den meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch. Nicht werde euer Herz bestürzt, seid auch nicht furchtsam“ (Joh. 14,27).

Keinen Frieden – und dennoch Frieden, nämlich den Frieden mit Gott, der in der Vergebung der Sünden besteht. Dieses Friedensreich, in dem wir Bürger sein dürfen, hat Christus aufgerichtet, als er am Karfreitag und am Ostermorgen der Schlange von 1. Mose 3,14f den Kopf zertreten hatte. Jesus hat sein Friedensreich bereits aufgerichtet. Er wird dies nicht erst noch tun. Wir brauchen somit nicht auf ein angeblich noch zukünftiges „Tausendjähriges Reich“27 zu warten. Schon gar nicht können wir das Gottesreich durch politische Aktivitäten und durch angeblich heilige Kriege voranbringen.

Durch politische Mittel kann lediglich an Symptomen kuriert werden. Gewiß müssen die Symptome durch „das Schwert“ eingedämmt werden; aber das Böse kann nicht durch Böses überwunden werden (Röm. 12,21; 1. Thess. 5,15), sondern nur durch die Kraft Gottes. Die einzelnen Bürger des Gottesreiches, die in der Welt als Fremdlinge (1. Petr. 2,11), ja wie Schafe mitten unter Wölfen, (Matth. 10,16) leben, bringen in ihrer Funktion als „Salz der Erde“ und als „Licht der Welt“ (Matth. 5,13f) etwas vom Reich Gottes in die ihnen fremde und ihnen gegenüber feindlich gesinnte Welt.

Die Gotteskinder trachten nach der Lebensweise des Reiches Gottes. Die Weltmenschen suchen dagegen ihren eigenen persönlichen Vorteil. Zu diesem Zweck tun sie vieles, was allgemein als gute Taten gewertet wird. Sie geben zum Beispiel Almosen und lassen vor sich her posaunen (Matth. 6,2). Sie helfen sich untereinander, jedoch nicht ohne Eigennutz (Luk. 6,32-35). Und wenn sie ein Gastmahl veranstalten, dann laden sie nicht etwa die Habenichtse ein, die es am nötigsten hätten, sich einmal satt zu essen, sondern diejenigen, die sich revanchieren können (Luk. 14,12-14). Reichen derartige Motive nicht aus, dann gibt es ja noch die Obrigkeit, die mehr oder weniger konsequent die Einhaltung der Normen der Gesellschaft erzwingt.

Diese gesellschaftlichen Normen decken sich nur teilweise mit der Lebensweise der Gotteskinder. Die Obrigkeit verfolgt nicht nur Übeltäter, sondern auch unschuldige Menschen, und dies nicht nur in irgendwelchen vielgeschmähten Diktaturen, sondern auch in der angeblich rechtsstaatlichen Bundesrepublik Deutschland.

Was haben diese Betrachtungen der biblischen Zweireichelehre mit der Problematik der Prügelpädagogik zu tun? Die Normen der Gesellschaft dürfen für Bürger des Gottesreiches kein Maßstab sein, auch für Kinder nicht.

Aber können kleine Kinder bereits Bürger des Gottesreiches sein? Ist es möglich, daß sie bereits vollwertige Glieder am Leibe Christi sind? Die Antwort auf diese Frage hat in den Meinungsverschiedenheiten um die Säuglingstaufe Bedeutung. Doch über dieses Problem habe ich bereits etwas veröffentlicht.28 Gehören bereits kleine Kinder, die noch nicht viel verstehen, zur Gemeinde? Natürlich nicht – so scheinen sich die Prügelpädagogen sicher zu sein. Da der gewalttätige Umgang der Glaubensbrüder untereinander ein Unding ist, können Prügelpädagogen in Kindern unmöglich ihre Mitchristen sehen. Nur deshalb können sie diese von der Gemeinde davonjagen, wie seinerzeit die Pharisäer die Sünder davongejagt hatten. Die Auffassung, daß Kinder selbstverständlich nicht zur Gemeinde gehören, vertraten schon die Hohenpriester und Schriftgelehrten, ja selbst die Jünger Jesu. Aber Christus ist anderer Meinung (Luk. 18,15-17).

Jesus spricht ausdrücklich von den „Kleinen, die an mich glauben“ (Matth. 18,6). An Christus glauben bedeutet, unter Christi Führung dem himmlischen Ziel entgegengehen. Im geistlichen ist es wie im leiblichen: Wer anfängt zu laufen, der fällt öfter als jemand, der schon viel Übung hat. Wer erst anfängt, dem himmlischen Ziel entgegenzugehen, der kann sich leichter verlaufen als jemand, der schon lange darin geübt ist, seinen Lebenswandel immer wieder neu am Gotteswort auszurichten. „Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geiste der Sanftmut, indem du auf dich selbst siehst, daß du nicht auch versucht werdest. Einer trage des anderen Lasten, und so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal. 6,1-2).

„So bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht …“ – Wer die beiden Reiche, in denen die Gläubigen leben, nicht unterscheiden kann, der kommt in die Versuchung, durch Prügel zurechtbringen zu wollen. Dieses pädagogische Mittel galt jahrhundertelang als unverzichtbar, um Kindern lesen, schreiben und rechnen beizubringen. Wer die beiden Reiche nicht voneinander unterscheiden kann, der steht in der Versuchung, etwas von der traditionellen Prügelpädagogik zu übernehmen, um die Kinder zu lehren, in Jesu „Fußtapfen“ (1. Petr. 2,21) zu wandeln.

 

Jesu Fußtapfen

In der Frage, ob das Wandeln in Jesu „Fußtapfen“ durch körperliche Züchtigung vermittelt werden kann, unterscheidet sich die biblische Lehre sehr wesentlich von der pharisäischen Theologie und von der reformierten Theologie. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der HERR aber sieht das Herz an“ (1. Sam. 16,7). Auch die Pharisäer sahen, „was vor Augen ist“. Deshalb spricht Christus zu ihnen: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! denn ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, inwendig aber sind sie voll Raub und Unenthaltsamkeit. Blinder Pharisäer! reinige zuerst das Inwendige des Bechers und der Schüssel, auf daß auch das Auswendige derselben rein werde. Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! denn ihr gleichet übertünchten Gräbern, die von außen zwar schön scheinen, inwendig aber voll von Totengebeinen und aller Unreinigkeit sind. Also scheinet auch ihr von außen zwar gerecht vor den Menschen, von innen aber seid ihr voll Heuchelei und Gesetzlosigkeit“ (Matth. 23,25-28).

Wer nur betrachtet, „was vor Augen ist“ (1. Sam 16,7), der wird kaum auf den Gedanken kommen, daß die Früchte, die an einem Baum hängen, eventuell nur von jemandem angehängt sein könnten. Christus ruft uns zu: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ (Matth. 4,17). Wenn wir in der deutschen Bibelübersetzung von „Buße“ lesen, dann steht im griechischen Urtext „metanoia“. „Metanoia“ bedeutet eine Umgestaltung des Sinnes. Diese Umgestaltung des Sinnes darf nicht mit Dressur verwechselt werden. Nur eine bestimmte Handlungsweise kann andressiert werden, nicht aber eine Geisteshaltung. Wem das nicht bewußt ist, der mag für die Prügelpädagogik offen sein.

Eine neue Gesinnung – für dieses Anliegen der Predigt Jesu hatten die Pharisäer nur wenig Verständnis. Sie verstanden die Gebote Gottes als Sammlung von Vorschriften. Wenn sie diese befolgen, erlangen sie die ewige Seligkeit. Um sich davor zu schützen, versehentlich eine Vorschrift zu übertreten, hatten frühere Generationen von Schriftgelehrten um das alttestamentliche Gesetz einen Zaun von zusätzlichen Vorschriften errichtet, den Aufsätzen der Ältesten. Doch die Errichtung dieses Zaunes lag zur Zeit Jesu bereits Generationen zurück. Die theologische Tüchtigkeit von Jesu Zeitgenossen bestand darin, sowohl das alttestamentliche Gesetz als auch die „Aufsätze der Ältesten“ so zu interpretieren, daß möglichst viel Freiraum für die eigene Bosheit herausspringt.

Jemand, der den pharisäischen vermeintlichen Heilsweg der Gesetzeserfüllung mit aller Leidenschaft gegangen war, ist der Pharisäer Saulus, der spätere Apostel Paulus. Paulus hatte als Pharisäer gelebt, und zwar nach deren allerstrengsten Sekte (Apg. 26,5). Rückblickend schreibt er: „Ich nahm zu im Judentum weit über viele meiner Altersgenossen in meinem Volk und eiferte über die Maßen für die väterlichen Satzungen“ (Gal. 1,14). Und in einem anderen Brief des Apostels lesen wir: „Wenn ein anderer sich dünkt, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr: Beschnitten am achten Tage, vom Geschlecht Israel, vom Stamme Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer; was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Gemeinde; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, (bin ich) gewesen untadelig. Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, auf daß ich Christus gewinne und in ihm erfunden werde, indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben“ (Phil. 3,4-9).

Während seiner Zeit als Pharisäer war Paulus leidenschaftlich darum bemüht, durch die Werke des Gesetzes vor Gott gerecht zu werden. Später als Apostel kämpfte er nicht weniger entschieden gegen diesen Irrweg. So schrieb er den Galatern einen sehr leidenschaftlichen Brief, nachdem ihnen jüdische Agitatoren einzureden versuchten, sie müßten sich beschneiden lassen und das ganze alttestamentliche Gesetz halten.

Doch die Worte des Apostels Paulus, daß wir nicht mehr unter dem Gesetz sind (Gal. 5,18), werden von reformierten Theologen nicht wirklich verstanden. Sie befürchten, daß das einen Verzicht auf die christliche Heiligung bedeute. Nach reformiertem Verständnis dürfen wir deshalb nicht stehlen, nicht lügen, nicht ehebrechen …, weil Gott dies in seinem Gesetz, zum Beispiel in den zehn Geboten, verboten hat. Gewiß sind solche Handlungen Sünde. Aber der biblische Grund, derartige Untaten zu meiden, ist ein anderer:

Gott hat seinen Kindern eine neue Gesinnung gegeben. Und diese wirkt sich darin aus, daß wir nicht stehlen, nicht lügen, nicht ehebrechen u. s. w.  Martin Luther zeigt dies im Kleinen Katechismus, indem er die Auslegung der einzelnen Gebote beginnt: Wir sollen Gott fürchten und lieben, auf daß … Die Liebe zu Gott, die neue Gesinnung, die Gott gibt, ist der Grund, um in der christlichen Heiligung zu leben, und nicht eine Liste einzelner Vorschriften für das Verhalten. Der Unterschied des lutherischen und reformierten Verständnisses über die Motive für das christliche Leben ist im nachfolgenden Zitat aus einer Veröffentlichung des Jahres 1855 sehr treffend beschrieben: „Der Glaube ist lutherisch in dem Gerechtfertigten, als die unio mystica mit sich führend, eine solche Einheit des menschlichen Subjekts mit dem Göttlichen, dass er die Norm und den Antrieb des Handelns in sich selbst findet, nicht von Aussen mehr zu empfangen braucht. Er ist, weil ihm der heilige Geist gegeben worden, ein selbständiger Quell göttlicher Lebensäußerung und Thätigkeit. Das Gesetz steht daher nicht mehr über ihm als etwas seinem Willen Fremdes, sondern ist in seinen Willen übergegangen als Trieb der Liebe, befeuert vom heil. Geiste. Nur weil der Glaube während des irdischen Lebens in dieser ideellen Vollendung niemals da ist, d. h. weil der concrete Mensch sich wohl in gehobenen Augenblicken zu dieser reinen, seinem eigentlichen Wesen angemessenen Höhe aufschwingt, sonst aber immer noch den alten natürlichen Menschen in sich herumträgt, der erst durch langen und ernsten Kampf von dem im Glauben wirksamen heil. Geist umgewandelt und durchleuchtet wird, nur darum und für diesen bedarf auch der Glaubige des Gesetzes als Zuchtmeister des Fleisches für den Geist. Das Gesetz hat somit für ihn die negative Funktion; alles wahrhaft christliche, positive Thun aber geht aus dem Glauben selbst hervor, welcher Regel und Antrieb von sich selbst empfängt, – natürlich mit dem Gesetze zu messen und an ihm zu bewähren. Dem Reformirten ist der Glaube zwar auch eine Einheit mit dem Göttlichen, aber erst als Princip und Anfang, dessen concrete Verwirklichung in unabsehbarer Unendlichkeit liegt, nicht als ein Idealganzes, welches die Totalität aller Entwicklungen schon in sich schliesst. Als diese durch den heil Geist geschaffene Einheit hat der Glaube das Wollen, das Streben, die abstrakt allgemeine Richtung; aber die Norm für den Glauben und den von ihm getragenen Willen im Einzelnen bleibt immer der göttliche Wille als ein noch über ihm stehender, der bestimmte That sollicitirender: das Sollen ist noch nicht überwunden, sondern eben geschärft: Jetzt erst geht das Gesetz in seiner Geistigkeit vor ihm auf; seine Gebote und Verheißungen, so wie seine Drohungen und Verbote werden eindringlicher, weil nun im Glauben verstanden. Also gerade weil der Glaube aufgegangen, darum gilt das Gesetz, das zum Handeln treibt; gerade der Wiedergeborene bedarf des Gesetzes zu seiner Entwickelung, zu seiner Vervollkommnung, seinem positiven Fortschreiten, seinen Erweisungen des Gehorsams und seinen guten Werken, welche Gott verherrlichen sollen, und keineswegs bloß zur Bekämpfung und Zucht des unwiedergeborenen Theiles in ihm“.29

Worin sich die Motive, in der Heiligung zu wandeln, bei Lutheranern und Reformierten unterscheiden, zeigt auch ein Vergleich des reformierten Heidelberger Katechismus mit Luthers Kleinem Katechismus. Im Heidelberger Katechismus lautet die 91. Frage: „Was sind denn gute Werke?“ Die gegebene Antwort: „Allein solche, die aus wahrem Glauben nach dem Gesetz Gottes ihm zur Ehre geschehen, …“. Die nächste Frage des Heidelberger Katechismus ist: „Wie lautet das Gesetz des Herrn?“ Die dort gegebene Antwort ist der Text der Gebote im Wortlaut von 2. Mose 20,1-17. Nicht im Blick hat der Heidelberger Katechismus die große Wende, die mit Jesus in die Welt gekommen ist und von der der Prophet Jeremia prophezeit: „Das soll der neue Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein“ (Jer. 31,33) Daß das Gesetz im Herz und Sinn geschrieben ist, hat aber Martin Luther bei seinen Erklärungen der Gebote im Kleinen Katechismus im Blick, indem er jede einzelne mit folgenden Worten beginnt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, auf daß …“.

Der Vergleich der beiden Katechismen zeigt ebenso wie das ausführliche Zitat aus dem Jahre 1855, daß der Lutheraner die Norm und den Antrieb des Handelns nicht von Außen empfängt. Schon allein deshalb ist es ein Unding, die Norm und den Antrieb des Handelns durch Prügelpädagogik vermitteln zu wollen. Außerdem werden wir nicht durch unsere Werke selig, sondern allein durch Gnade, die wir im Glauben empfangen. Wem diese zentrale Bibellehre zu wenig bewußt ist, der mag auf den Gedanken kommen, jemandem eine erwünschte Verhaltensweise einzuprügeln, als ob wir durch gute Werke selig werden könnten.

 

Selig durch gute Werke?

In den Glaubensgemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, wurde und wird gelehrt, daß wir nicht durch gute Werke vor Gott gerecht werden, sondern allein durch das Verdienst des Gekreuzigten und Auferstandenen, das wir im Glauben empfangen. Wir können somit keine Sünden wiedergutmachen, weder wir selbst, noch andere für uns; sondern das kann einzig und allein Jesus Christus. Der Gedanke an menschliche Kompensation wendet den Blick ab von unserem König mit der Dornenkrone, der von seinen Gegnern beschuldigt wurde, daß er die Sünder annimmt.

Dies wird zumindest im Protestantismus so gelehrt. Doch wird es auch wirklich geglaubt? Was jemand glaubt, das zeigt sich an dessen Taten. Nicht umsonst spricht Jesus Christus im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht von Werken (Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremdlinge beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen), wenn er sagt: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matth. 25,40).

Wenn Christus im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht über Werke der Barmherzigkeit spricht, so will er damit nicht sagen, daß wir durch diese Werke im Jüngsten Gericht bestehen könnten. Auch die größten Werke sind dazu zu unvollkommen. Gott fordert nämlich absolute Vollkommenheit und Sündlosigkeit: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Matth. 5,48). Niemand, auch der Frömmste nicht, ist in den Augen Gottes vollkommen. Somit können wir im Jüngsten Gericht nur durch die Gerechtigkeit und Vollkommenheit Christi bestehen. Und diese Gerechtigkeit gilt es im Glauben zu ergreifen.

Doch was ist Glaube? Glaube ist nicht nur ein Fürwahrhalten von Glaubenslehren, sondern eine Geisteshaltung, die den ganzen Menschen, also auch seine Taten, umfaßt. Christus spricht: „Nicht jeder, der zu mir sagt Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist“ (Matth. 7,21). Wie das Gericht nach den Werken mit der biblischen Lehre, daß wir allein aus Gnaden gerettet werden, zusammenpaßt, können wir am Gleichnis vom Schalksknecht erkennen. Mit diesem Gleichnis beantwortet Jesus die Frage des Petrus, wie oft er seinem Bruder, der an ihm sündigt, vergeben soll: „Deswegen ist das Reich der Himmel einem Könige gleich geworden, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Als er aber anfing abzurechnen, wurde einer zu ihm gebracht, der zehntausend Talente schuldete. Da derselbe aber nicht hatte zu bezahlen, befahl sein Herr, ihn und die Frau und die Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und zu bezahlen. Der Knecht nun fiel nieder, betete ihn an und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, und ich will dir alles bezahlen. Der Herr jenes Knechtes aber, innerlich bewegt, gab ihn los und erließ ihm das Darlehen. Als aber jener Knecht hinausging, fand er einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Und er ergriff und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du mir schuldig bist. Sein Mitknecht nun fiel nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, und ich werde dir zurückgeben. Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe. Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. Dann rief ihn sein Herr herzu und spricht zu ihm: Böser Knecht! jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; müßtest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe? Und sein Herr wurde sehr zornig und übergab ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. Also wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebet“ (Matth. 18,23-35).

Der Schalksknecht hatte nichts dazu beigetragen, daß ihm die astronomisch hohe Schuld (ca. 5000 kg Gold, entsprach zur Zeit Jesu dem Lohn eines Arbeiters für 60 Millionen Arbeitstage) erlassen wurde. Aber durch seine verwerfliche Handlungsweise hat er gezeigt, daß er die Wohltat seines Herrn völlig aus dem Blickfeld verloren hat. Dadurch wurde offensichtlich, daß er eine andere Gesinnung hat als sein Wohltäter. Wie kann jemand, der sich so schändlich verhält, den Glauben an die vergebende Liebe Gottes haben?

Es gibt einen Unterschied von dem, was jemand behauptet zu glauben, und seinem wirklichen Glauben, der sich in den Taten auswirkt. Das wurde bereits durch den Widerspruch gezeigt, der zwischen der von Luther verkündeten Zweireichelehre und den Bluttaten des Reformators besteht, die mit dieser Zweireichelehre unvereinbar sind. Luthers Bluttaten sowie die Hexen- und Ketzerverfolgungen jener Zeit, an denen auch “Lutheraner“ beteiligt waren, zeigen, daß man Kirchen- und Dogmengeschichte nicht verstehen kann, ohne das politische und philosophische Umfeld, ohne den damaligen Zeitgeist, ohne die damaligen allgemeinen Auffassungen und ohne die Traditionen, aus denen die handelnden Personen kommen, zur Kenntnis zu nehmen. Doch wie paßt die große Bedeutung dieser außerbiblischen Faktoren mit der von den Reformatoren so sehr betonten Lehre „allein die Schrift“ zusammen? Daß all diese außerbiblischen Faktoren so wichtig sind, setzt voraus, daß man faktisch von dem Lehrsatz „allein die Schrift“ abgewichen war.

 

Was hat das soeben Gesagte mit der Problematik der Prügelpädagogik zu tun? Was bisher in diesem Büchlein dargelegt wurde, sind keineswegs neue Erkenntnisse, sondern es handelt sich um traditionelle lutherische Lehre. Wenn es für den Leser nicht so ermüdend wäre, hätte ich bei fast allen Aussagen nachweisen können, daß sie bereits in alten lutherischen Büchern und Predigten vorkommen. Doch in Büchern steht oft viel, was deren  Verfasser selbst nicht glauben. Wie diejenigen, die vom Schreibtisch aus die Tötung von Irrlehrern förderten, von der von ihnen selbst verbreiteten biblisch-lutherischen Zweireichelehre abgewichen waren, so glauben auch heute die „lutherischen“ Prediger, die die Prügelpädagogik befürworten, nicht an ihre eigene Verkündigung.

Befürworter der Prügelpädagogik weisen darauf hin, wie antichristlich die Kräfte sind, die sich gegen die körperliche Züchtigung wenden. In der Tat beruht die Ablehnung dieses traditionellen Erziehungsmittels häufig auf einem unbiblischen Menschenbild, wonach verneint wird, daß bereits kleine Kinder völlig verdorben sind. Wenn Gegner der Prügelpädagogik sich dann auch noch für die Ermöglichung von – wie sie es verharmlosend nennen – „Abtreibung“ aussprechen, dann wird ein Übermaß an Scheinheiligkeit offensichtlich. Wie kann jemandem, der es fördert, daß die Kleinsten bei vollem Schmerzempfinden lebendig zerfetzt werden, das Wohl von Kindern am Herzen liegen?

In Römer 1, wo der Apostel Paulus das schändliche Treiben der Heiden beschreibt, lesen wir: „… die, wiewohl sie Gottes gerechtes Urteil erkennen, daß, die solches tun, des Todes würdig sind, es nicht allein ausüben, sondern auch Wohlgefallen an denen haben, die es tun“ (Röm. 1, 32). Weil bestimmte destruktive Kräfte Wohlgefallen an der Sünde von jungen Menschen haben, deshalb dürfen die wenigen Kinder, die den gefährlichsten Ort, den Mutterschoß, überlebt haben, später keineswegs durch körperliche Züchtigung daran gehindert werden, die Bosheit ihres Herzens zu entfalten. Und als ob diese Bosheit nicht ausreichen würde, bringt man ihnen im Fernsehen, in Zeitschriften und in der Schule (nicht nur in Sexualkunde) zusätzlich noch schlechte Sachen bei.30

Durch den Mißstand der Prügelpädagogik erhalten charakterliche Lumpen die Möglichkeit, sich als Anwälte des „Kindeswohles“ aufzuspielen. Parallelen zur Sowjetunion drängen sich auf. Im zaristischen Rußland waren die Kommunisten gegen die Leibeigenschaft. Nachdem diese im Jahre 1861 auf dem Papier abgeschafft worden war, trugen Kommunisten diese Kunde in die Dörfer. Denn sonst hätten die betroffenen Bauern davon nichts erfahren. Doch nachdem die Kommunisten 1917 an die Macht gekommen waren, installierten sie den Archipel Gulag, ein Straflagersystem, dessen Schrecken die der Leibeigenschaft bei weitem übertrafen. Wurde im Leibeigenen wenigstens eine Wert„sache“ gesehen, der schon allein aus diesem Grunde überleben sollte, so war der wirkliche Zweck von Lenins und Stalins Straflagersystem der Völkermord. Somit wurde der Teufel durch Beelzebul ausgetrieben.

Wie antichristliche Kräfte die Prügelpädagogik bekämpfen, so hatten vor über dreihundert Jahren ebenfalls antichristliche Kräfte der Aufklärung den Hexenwahn und die staatliche Verfolgung von Irrlehrern bekämpft. Gibt es keinen Teufel, dann kann auch niemand mit dem Teufel paktieren. Folglich wurde bestritten, daß es Hexerei gibt. Gibt es keine Hölle, dann kann auch niemand durch teuflische Irrlehre in die Hölle kommen. Folglich sah man keine Ursache, Irrlehrer strafrechtlich zu verfolgen.

Aus den falschen Gründen heraus haben antichristliche Kräfte der Aufklärung den Hexenwahn und die Ketzerverfolgung bekämpft. Diese Tatsache darf uns aber nicht daran hindern, diese Übel aus den richtigen Gründen heraus abzulehnen. Ebenfalls aus den falschen Gründen heraus wurde und wird die Prügelpädagogik von antichristlichen Kräften auf der Grundlage eines antibiblischen Menschenbildes bekämpft. Doch das darf uns nicht daran hindern, dieses leider traditionelle Erziehungsmittel aus den richtigen Gründen heraus abzulehnen.

Die richtigen Gründe sind das Wissen um die ungeheure Kraft des Gotteswortes, die Sünder verändert. Daß das Gotteswort mächtig ist, ist besonders von Lutheranern schon immer gelehrt worden. Doch das Problem der Prügelpädagogik ist, daß viele Prediger selbst nicht glauben, was sie mit wunderschönen Worten anderen verkündigen.

 

Das Zentrum des Glaubens

In den Sendschreiben der Offenbarung wird die Gemeinde von Ephesus gelobt: „Ich kenne deine Werke und deine Mühsal und deine Geduld und weiß, daß du das Böse nicht ertragen kannst; und du hast die geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht, und hast sie als Lügner befunden, und hast Geduld und hast um meines Namens willen Last getragen und bist nicht müde geworden“ (Offenb. 2,2f). Bei so viel Lobenswertem, was kann der Gemeinde dann überhaupt noch fehlen? Falsche Lehre hatte sie abgewehrt. Das sehen wir daran, daß diejenigen geprüft wurden, die sagen, sie seien Apostel. Die Gemeinde hatte sich in der Bedrängnis bewährt. Und dennoch fehlte ihr etwas: „Aber ich habe gegen dich, daß du die erste Liebe verläßt“ (V. 4). Und das ist nicht nur ein kleiner Mangel, sondern die Gemeinde war dadurch ohne es zu merken von Christus abgefallen. Denn es heißt weiter: „So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte – wenn du nicht Buße tust“ (V. 5). Bei allem Glaubenseifer in Bezug auf die Lehre und in Bezug auf das christliche Leben war die Gemeinde dennoch von Christus abgefallen, weil es ihr an der „ersten Liebe“ mangelte.

Glaube ist somit die Liebe zu Christus, zu dem Christus, der uns erlöset hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels. Der Glaubensartikel von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden gilt in der lutherischen Lehrtradition als der „höchste fürnehmste Artikel der ganzen christlichen Lehre“31. Predigtmäßig kann man auch formulieren: „Jesus nimmt die Sünder an“. Damit sind wir im Zentrum des Gegensatzes der pharisäischen Theologie zur Lehre und Gesinnung Jesu. Die Aussage, daß Jesus die Sünder annimmt, stammt ursprünglich von den Pharisäern und Schriftgelehrten und war als Anschuldigung gemeint (Luk. 15,2). Die Pharisäer lehnten Jesus ab. Deshalb konnten sie seine Liebe zu den Sündern kritisieren. Die heutigen Prediger hingegen wollen für Jesusjünger gehalten werden. Deshalb können sie ihn nicht offen kritisieren. Deshalb machen sie ihm auch nicht zum Vorwurf, daß er die Sünder annimmt. Doch das heißt noch lange nicht, daß auch sie selbst als seine angeblichen Nachfolger ebenfalls die Sünder annehmen. Wer die Sünder aber nicht annimmt, der hat keinen Teil an Christus, wie das Gleichnis vom Schalksknecht zeigt.

Man kann das Gotteswort durchaus gut kennen, und dessen Zentrum kann einem trotzdem verborgen bleiben. Dagegen haben völlig ungelehrte Leute tiefe Erkenntnis, die den Gelehrten verborgen ist. Die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Jesu hatten viel Bibelkenntnis und große Gelehrsamkeit. Lediglich die wichtigste Aussage des Alten Testaments, nämlich, daß Jesus von Nazareth der verheißene Erlöser ist, diese zentralste Botschaft blieb ihnen verborgen. Was ist deren große Gelehrsamkeit dann noch wert? Im Unterschied zu diesen hochgelehrten Herren hatten einfache ungelehrte Leute erkannt, daß Jesus der Messias ist. So sagten die Pharisäer: „Glaubt denn einer von den Obersten oder Pharisäern an ihn? Nur das Volk tut’s, das nichts vom Gesetz weiß; verflucht ist es“ (Joh. 7,48).

Ähnlich verläuft die gesamte Kirchengeschichte bis heute. Ganze Bibliotheken füllen sich mit Pfaffengezänk, das damit vergleichbar ist, wie wenn Blinde sich über die Farbe streiten. Diese Streithähne sind aber ebenso blind, wie es die Pharisäer gemäß den Worten Jesu (Matth. 23,17) waren. Hingegen haben Brüder ohne Theologiestudium mitunter Erkenntnisse, die man bei den Gelehrten nicht findet. Diese Erfahrung habe ich in der Lutherischen Brüdergemeinde in Hallstadt bei Bamberg gemacht. Dort verglich ein „Laienprediger“32 eine Stelle aus den Mosebüchern mit Jesu Predigt von den verlorenen Söhnen (Luk. 15,11-32). Die alttestamentliche Stelle ist folgende: „Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, daß er sterbe, und du sollst so das Böse aus deiner Mitte wegtun, daß ganz Israel aufhorche und sich fürchte“ (5. Mose 21,18-21). Das ist der Alte Bund, so der Prediger. Auf diesem Hintergrund sprach er über das Neue, das Christus gebracht hat, anhand des jüngeren der beiden verlorenen Söhne. Der Prediger wies darauf hin, daß der Vater sagte: „Bringt schnell das beste Kleid“ und daß er gerade nicht sagte: „Bringt schnell die beste Rute“.

Wenn Jesus die Liebe des Vaters beschreibt, so hat er doch selbstverständlich das Gesetz des Mose im Blick. Über den jüngeren der beiden verlorenen Söhne wurde viel geschrieben und viel gepredigt. Häufig übersehen wird aber, daß auch der ältere Sohn ebenfalls ein verlorener Sohn war. Denn er hatte sich lieblos gegenüber dem Heimkehrer verhalten und wollte in ihm nicht seinen Bruder erkennen. Er sah sich somit nicht selbst in der Gemeinschaft der Sünder. Die Sündenerkenntnis, die ihm in seiner pharisäischen Gesinnung fehlte, die hatte aber der Heimkehrer und war damit seinem älteren Bruder geistlich voraus.

Daß Christus mit seinem Bild von den beiden verlorenen Söhnen auf das Gesetz des Mose Bezug nimmt, hatte ich zuvor weder gehört noch gelesen, obwohl dieser Gedanke naheliegend sein sollte. Meine Rückfrage bei dem Prediger ergab, daß auch er diesen Gedanken weder gehört noch irgendwo gelesen hatte. Das ist auch kein Wunder. Denn in den zweitausend Jahren Kirchengeschichte galt die Prügelpädagogik als das selbstverständlichste von der Welt. Den vielen hochgelehrten Theologen, die sich ihre Gelehrsamkeit gegenseitig bescheinigten, blieb die Gesinnung Jesu ebenso fremd wie den Theologen zur Zeit Jesu: „Glaubt denn einer von den Obersten oder Pharisäern an ihn? Nur das Volk tut’s, das nichts vom Gesetz weiß; verflucht ist es“ (Joh. 7,48).

1Luk. 23,16; Apg. 7,22; 22,3; Röm. 2,20; 1. Kor. 4,15; 11,32; 2. Kor. 6,9; Gal. 3,24; 1 Tim. 1,20; 2. Tim. 2,25; 3,16; Tit. 2,12; Hebr. 12,5.6.7.9.10; Offenb. 3,19.

2Karl-Heinz Günther, Franz Hofmann, Gerd Hohendorf, Helmut König, Heinz Schuffenhauer: Quellen zur Geschichte der Erziehung, Berlin (Ost) 1978, S. 50.

3Hermann L. Strack und Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Band 3, München ab 1925, S. 186-201.

4Zur Kindheit Hitlers siehe: Alice Miller, Am Anfang war Erziehung, Frankfurt /M. 1981, S. 170-186.

5Zur Kindheit Stalins siehe: Robert Conquest, Stalin. Der totale Wille zur Macht. Biographie, München 1991, S. 28f.

6Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 22. Band, Weimar 1929, S. 22 oder Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, 2. Auflage, herausgegeben von Georg Walch, 12. Band, St. Louis, Mo., USA 1880-1910, Nachdruck Groß Oesingen 1987, Spalte 677f.

7Das geht zum Beispiel aus einer Predigt Luthers über Matth. 13,24ff aus dem Jahre 1525 hervor (Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 17. Band, Zweite Abteilung, Weimar 1927, S. 125 oder Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, 2. Auflage, herausgegeben von Georg Walch, 11. Band, St. Louis, Mo., USA 1880-1910, Nachdruck Groß Oesingen 1987, Spalte 506).

8Paul Wappler, Inquisition und Ketzerprozesse in Zwickau zur Reformationszeit. Dargestellt im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ansichten Luthers und Melanchthons über Glaubens- und Gewissensfreiheit, Leipzig 1908, S. 1-8.

9Luthers Auslegung von Ps. 82, 4 aus dem Jahre 1530 in: Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 31. Band, Erste Abteilung, Weimar 1913, S. 208 oder Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, 2. Auflage, herausgegeben von Georg Walch, 5. Band, St. Louis, Mo., USA 1880-1910, Nachdruck Groß Oesingen 1987, Spalte 718.

10Horst W. Schraepler, Die rechtliche Behandlung der Täufer in der deutschen Schweiz, Südwestdeutschland und Hessen 1525-1618, Tübingen 1957, S. 13-15.

11Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 31. Band, Erste Abteilung, Weimar 1913, S. 207-213 oder Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, 2. Auflage, herausgegeben von Georg Walch, 5. Band, St. Louis, Mo., USA 1880-1910, Nachdruck Groß Oesingen 1987, Spalte 717-724.

12a. a. O., Kritische Gesamtausgabe S. 210 oder Walch, 5. Band, Spalte 721.

13Philippi Melanthonis OPERA quae sunt omnia. In: Corpus Reformatorum IV, Halis Saxonum 1837, Spalte 737-740.

14Schraepler a. a. O. S. 29.

15Apologie der Augsburgischen Konfession, VII, 18. In: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 1930, S. 237f.

16Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 1930, S. 761.

17Epitome XII 2 und SD XII 9 (a. a. O. S. 822 und S. 1093f).

18Hugh Redwald Trevor-Roper: Religion, Reformation und sozialer Umbruch. Die Krisis des 17. Jahrhunderts, Frankfurt/Main – Berlin – Wien 1970, S. 95-179, besonders S. 146-152.

19Johannes Lerle: Nürnberger Ketzerprozesse gegen Kindermordgegner. Eine Kette von Rechtsbeugungen, Erlangen 2003. Diese Broschüre ist auch im Internet unter folgender Adresse veröffentlicht: www.kindermordgegner.de

20Wie wenig die “Recht“sprechung bereit ist, die „Tatsachen“, aufgrund derer sie Menschen ins Gefängnis wirft, diagnostisch zu erkennen und nachzuweisen, dafür aber dazu neigt, Gefängnisstrafen auf einen deklaratorischen Rechtsakt über das Vorhandensein der „Tatsachen“ zu gründen, zeigt ein Bericht der Zeitung Die Tageszeitung vom 9. Febr. 2007, S. 6. In dem Bericht über die Verurteilung von Ernst Zündel zu fünf Jahren Gefängnis wegen „Volksverhetzung“ heißt es wörtlich: „Zuletzt lehnte das Gericht alle Anträge mit der lapidaren – und für einige Antifaschisten im Publikum schockierenden – Begründung ab, dass es völlig unerheblich sei, ob der Holocaust stattgefunden habe oder nicht. Seine Leugnung stehe in Deutschland unter Strafe. Und nur das zähle vor Gericht“.

21Luthers Auslegung von Matth. 13 vom 5. Sonntag nach Epiphanias in seiner Hauspostille von 1545 in: Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 52. Band, Weimar, S. 837.

22Ps. 119,118; Spr. 21,10; Spr. 28,15; Spr. 12,5-6; Spr. 28,12; Jes. 26,9b-10; Spr. 29,27; Röm. 1,18-32; Ps. 10.

23Heinz Nawratil, Vertreibungs-Verbrechen an Deutschen. Tatbestand. Motive. Bewältigung, München 1982, S. 98-106.

24„Darum haben die Täufer und ähnliche Leute diesen Ausspruch [Matth. 13, 39: Die Ernte ist das Ende der Welt, der Verf.] in falscher Weise mißbraucht, indem sie damit der Gemeinde den Gebrauch des Schwertes verwehrten“ (Johannes Calvins Auslegung der Evangelien-Harmonie, 1. Teil. Übersetzt von Hiltrud Stadtland-Neumann und Gertrud Vogelbusch, Neukirchen-Vluyn 1966, S. 398f).

25Die Vokabel stammt aus Offenb. 16,16.

26„The years ahead are great ones for this country, for the cause of freedom and the spread of civilization. The West won’t contain communism, it will transcend communism. It won’t bother to dismiss or denounce it, it will dismiss it as some bizarre chapter in human history whose last pages are even now being written (Reagan, Address at Commencement Exercises at the University of Notre Dame May 17, 1981 in: Public Papers of the President of the United States. Ronald Reagan 1981, January 20 to December 31, 1981, Washington 1982. p. 432).

27Zu der Problematik des „Tausendjährigen Reiches“ siehe: Johannes Lerle, Das Tausendjährige Reich; Earl Wesley Morey, Auslegung der Offenbarung, Kassettenreihe, verbreitet von Jugend mit einer Mission Altensteig Kassetten-dienst, besonders Kassette 15 und 16, zu beziehen durch JMEM Altensteig, Kassettendienst. Diese Kassettenreihe hat jemand auf CD gebrannt, deren Kopie ich gerne weitergebe. Inzwischen hat Earl Morey folgenden englischsprachigen Kommentar zur Offenbarung verfaßt: Our God Reigns; A Guide to Understanding Revelation; Franz Pieper, umgearbeitet von J. T. Mueller, Christliche Dogmatik, St. Louis (Missouri, USA) 1946, Abschnitt: Die Wiederkunft Christi, S. 782-795.

28Johannes Lerle, Haben die Apostel Säuglinge getauft? Groß Oesingen 1990, auch im Internet abrufbar unter

29Prof. D. M. Schneckenburger, Vergleichende Darstellung des lutherischen und reformirten Lehrbegriffs. Aus dessen handschriftlichem Nachlasse zusammengestellt und herausgegeben durch Eduard Güder, Erster Theil, Stuttgart 1855, S. 114f.

30Immanuel Lück, Alarm um die Schule. Kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Erziehungs-Situation. Die neomarxistische Unterwanderung, Neuhausen-Stuttgart 1979.

31Apologie der Augsburgischen Konfession, III, 4. In: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 1930, S. 159; Konkordienformel, SD III 3, a. a. O., S. 916.

32Andreas Krämer (Krumbach 7, 96138 Burgebrach, Tel. 09546/6885) in einer Predigt am 7. 12. 2007.

 

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