Noam Chomsky:
Warum die Mainstreammedien „Mainstream“ sind
Vorbemerkung des Homepageinhabers:
Wenn Schulabgänger nur auf Grundschulniveau rechnen können, wenn es immer mehr Analphabeten unter den Schulabgängern gibt, wozu brauchen wir dann solche „Bildungs“einrichtungen, die auf ganzer Linie versagen, fragen sich immer mehr Eltern. Das wenige, das die Kinder z. B. auf der Berliner Rütlischule oder auf der Nürnberger Herschelschule lernen, läßt sich mit Leichtigkeit selbst bei einem mangelhaften Haus- und Selbstunterricht übertreffen. Wenn die Verweigerer der Schulbesuchspflicht dennoch verfolgt werden, so geschieht das mit Sicherheit nicht wegen der Gefährdung des Kindeswohles, sondern wegen des Kontrollverlustes für die benötigte staatliche „Sozialisation“. Denn Hausschüler haben wesentlich bessere Leistungen und ein wesentlich besseres Benehmen als Schüler der heruntergekommenen Staatsschulen. Somit ist für deren wirkliches Kindeswohl wesentlich besser gesorgt. Das gilt aber nicht für das, was die Totalversager in der “Erziehungswissenschaft“ unter „Kindeswohl“ verstehen, nämlich die mit dem Kindergarten beginnende Gehirnwäsche, durch die Konformität erlernt und unabhängiges Denken bekämpft wird.
Ein wesentliches Hindernis für Konformität ist der Glaube an Jesus Christus. Denn der Gläubige orientiert sich am Gotteswort anstatt an dem, war irgendwelche Meinungsmacher zum Mainstream erheben. Deshalb wurden bzw. werden bei Hitler, den Kommunisten und heute die christlichen „Parallelgesellschaften“ verfolgt. Nachfolgender Artikel von Noam Chomsky hilft, die uns bedrohende Meinungsdiktatur besser verstehen zu können.
Noam Chomsky ist Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technologie (MIT) und hat in den 60er Jahren die Vorstellungen über Sprache und Denken revolutioniert. Zugleich ist er einer der prominentesten und schärfsten Kritiker der gegenwärtigen Weltordnung und des US-Imperialismus.
Bei der großen Sachkenntnis, die im nachfolgenden Artikel erkennbar wird, verwundert es, daß Prof. Chomsky den Einfluß eines angeblich besonders auserwählten Volkes überhaupt nicht thematisiert. Anscheinend weiß er, wie weit er gehen darf, daß es durchaus üble folgen haben kann, alles zu schreiben was er weiß.
http://zmag.de/artikel/Warum-die-Mainstreammedien-Mainstream-sind
Warum die Mainstreammedien „Mainstream“ sind
von Noam Chomsky
15.07.1997 — Z Media Institute
Ich schreibe unter anderem deshalb über die Medien, weil ich mich für das intellektuelle Klima insgesamt interessiere und weil die Medien der Bestandteil dieses Klimas sind, der am leichtesten zu untersuchen ist. Bei den Medien gibt es einen täglichen Output, wodurch eine systematische Untersuchung möglich wird. Man kann die Version von gestern mit der von heute vergleichen. Es gibt eine Menge Material, anhand dessen man sehen kann, was die Medien in den Vordergrund rücken, was sie ausblenden und wie die Struktur dieses Prozesses aussieht.
Meines Erachtens besteht zwischen der Analyse der Medien und der des Wissenschaftsbetriebs oder der Intellektuellenzeitschriften kein großer Unterschied – man muß einige zusätzliche Mechanismen berücksichtigen, aber davon abgesehen besteht kein radikaler Unterschied. Diese Bereiche stehen in enger Verbindung miteinander, und deshalb wechseln die Leute auch ziemlich leicht zwischen ihnen hin und her.
Wenn man die Medien oder eine beliebige Institution verstehen will, stellt man sich zunächst einmal Fragen nach ihrer inneren Struktur. Zweitens wird man sich dafür interessieren, welche Rolle sie im Rahmen der Gesamtgesellschaft spielen: In welcher Beziehung stehen sie zu anderen Systemen von Macht und Autorität? Und schließlich gibt es, wenn man Glück hat, Akten und Aufzeichnungen führender Leute im Mediensystem, aus denen man erfahren kann, welche Ziele sie verfolgen. Das ist wichtig, da wir es mit einem ideologischen System zu tun haben. Ich meine natürlich nicht die üblichen Public-Relations-Veröffentlichungen, sondern das, was diese Leute sich gegenseitig über ihre Absichten mitteilen. Und was das betrifft, gibt es eine Menge interessantes Material.
Das sind drei wichtige Informationsquellen, wenn wir etwas über die Natur der Medien erfahren wollen. Wir sollten die Medien auf dieselbe Art untersuchen, wie ein Naturwissenschaftler ein komplexes Molekül oder einen sonstigen Gegenstand studieren würde. Dabei sieht man sich die Struktur der Medien an, um auf dieser Basis eine Hypothese darüber aufzustellen, wie das Produkt, das die Medien herstellen, wahrscheinlich aussehen wird. Dann untersucht man den Medienoutput und überprüft, inwieweit er den aufgestellten Hypothesen entspricht. Medienanalysen bestehen in der Regel fast ausschließlich aus diesem letzten Teil – aus dem Versuch, die Produkte der Medien ganz einfach sorgfältig zu studieren und herauszufinden, ob sie so aussehen, wie es sehr plausible Annahmen über Wesen und Struktur der Medien voraussagen.
Was finden wir dabei heraus? Nun, zunächst einmal, daß es natürlich verschiede Medienbereiche gibt, die sich mit verschiedenen Dingen beschäftigen. Da gibt es die Unterhaltungsindustrie und Hollywood, Seifenopern und ähnliche Sendungen, und die überwältigende Mehrheit der Zeitungen des Landes gehört ebenfalls in diese Kategorie, die für das Massenpublikum gedacht ist.
Daneben gibt es einen weiteren Mediensektor, nämlich die Elitemedien, die manchmal auch als die trendbestimmenden Medien bezeichnet werden, weil sie über die größten Mittel verfügen und den thematischen Rahmen abstecken, an den alle anderen sich halten müssen. Das sind Unternehmen vom Kaliber der New York Times und von CBS. Sie bedienen zum größten Teil die privilegierten Schichten. Leute, die die New York Times lesen, also Leute mit einem gewissen Einkommen oder Angehörige dessen, was manchmal als die politische Klasse bezeichnet wird, sind tatsächlich auf beständiger Basis am politischen System beteiligt. Sie gehören zur Managerschicht. Dabei kann es sich um Politiker, Wirtschaftsmanager wie die Topleute der Großkonzerne, akademisches Führungspersonal wie Universitätsprofessoren oder auch um Journalisten anderer Medienunternehmen handeln, die sich ebenfalls damit befassen, das Denken und die Weltsicht der Medienkonsumenten zu beeinflussen.
Die Elitemedien stecken den Rahmen ab, in dem die restlichen Medien operieren. Wenn man sich Agenturen wie Associated Press ansieht, die eine permanente Nachrichtenflut ausstoßen, stellt sich heraus, daß dieser Strom vermischter Nachrichten jeden Nachmittag durch die Meldung unterbrochen wird: „An die Redaktionen: auf der Titelseite der New York Times werden morgen folgende Berichte erscheinen.“ Wenn man beispielsweise Redakteur einer Zeitung in Dayton, Ohio ist und nicht über die Ressourcen verfügt oder sich sowieso nicht die Mühe machen will, selbst an wichtige Nachrichten heranzukommen, erfährt man auf diesem Weg, was als „Nachricht“ zu gelten hat, Damit wird dann die Viertelseite gefüllt, die für andere Themen als für Lokalberichte und Unterhaltung reserviert ist. Diese Berichte werden dann als Nachrichten von nationaler Bedeutung gebracht, weil die New York Times uns sagt, daß das die wichtigen Themen des morgigen Tages sind. Als kleiner Redakteur in Dayton, Ohio hat man kaum eine andere Wahl, als es so zu machen, weil man nicht über viele andere Möglichkeiten verfügt, an Nachrichten heranzukommen. Wenn man vom vorgeschriebenen Weg abweicht und Berichte bringt, die den Unwillen der großen Zeitungen erregen, wird man das ziemlich bald zu spüren bekommen. Die jüngsten Vorfälle bei den San Jose Mercury News [vgl. S. 119, Anmerkung – d. Ü.] sind nur ein besonders dramatisches Beispiel dafür. Es gibt eine Menge von Machtmechanismen, durch die jemand, der aus der Reihe tanzt, wieder auf Linie gebracht werden kann. Wenn man versucht, das Regelwerk des Systems zu sprengen, wird man sich nicht lange darin halten können. All das funktioniert recht gut, und es ist nicht schwer zu erkennen, daß sich darin lediglich ganz offenkundige Machtverhältnisse äußern.
Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten. Sollen die Leute sich mit etwas anderem beschäftigen, Hauptsache, sie stören uns nicht (wobei „wir“ die Leute sind, die das Heft in der Hand halten). Wenn sie sich zum Beispiel für den Profisport interessieren, ist das ganz in Ordnung. Wenn jedermann Sport oder Sexskandale oder die Prominenten und ihre Probleme unglaublich wichtig findet, ist das okay. Es ist egal, wofür die Leute sich interessieren, solange es nichts Wichtiges ist. Die wichtigen Angelegenheiten bleiben den großen Tieren vorbehalten: „Wir“ kümmern uns darum.
Welches sind die Elitemedien, die die Tagesordnung für den Rest festlegen? Nun, zum Beispiel solche wie die New York Times und CBS. Das sind zuallererst einmal große, sehr profitable Kapitalgesellschaften. Darüber hinaus haben die meisten von ihnen enge Verbindungen zu weit größeren Konzernen wie General Electric, Westinghouse oder gehören direkt dazu. Sie mischen ganz oben in der Machtstruktur der Privatwirtschaft mit, und diese Struktur ist extrem tyrannisch. Die großen Kapitalgesellschaften sind strukturell gesehen Tyranneien: sie sind hierarchisch und werden von der Spitze aus kontrolliert. Und wer sich damit nicht abfinden will, fliegt raus.
Die großen Medien sind einfach einer der Bestandteile dieses Systems. Welche institutionellen Strukturen haben die Medien selbst? Nun, mehr oder weniger dieselben wie andere Unternehmen. Die Institutionen, mit denen die Medien im Rahmen ihrer Aktivität zu tun haben und mit denen sie in Verbindung stehen, sind ihrerseits bedeutende Zentren gesellschaftlicher Macht – die Regierung, die Großunternehmen oder auch die Universitäten. Aufgrund ihrer ideologischen Funktion unterhalten die Medien enge Beziehungen zu den Universitäten. Nehmen wir einen Journalisten, der einen Bericht über Südostasien oder Afrika oder was auch immer schreibt. Es ist recht wahrscheinlich, daß er sich an eine der großen Universitäten wenden wird, um sich dort bei einem Experten kundig zu machen, oder er kann mit seinen Fragen zu einer der Stiftungen wie dem Brookings Institute oder dem American Enterprise Institute gehen, und sie werden ihm dann die richtigen Stichworte geben. Die Funktionsweise solcher Institutionen ist der der Medien sehr ähnlich.
So sind zum Beispiel die Universitäten keineswegs unabhängige Institutionen. Man findet in ihnen zwar hier und da unabhängig gesinnte Geister, aber das gilt auch für die Medien. Solche Leute gibt es im allgemeinen auch in den Großunternehmen, ja, sogar in faschistischen Staaten. Aber die Universitäten sind letztlich „parasitäre“ Institutionen. Sie sind auf Finanzierung von außen angewiesen, und die Quellen dieser Unterstützung – reiche Mäzene, Großunternehmen und Staat (die beide so eng miteinander verflochten sind, daß man sie kaum auseinanderhalten kann) – stecken im wesentlichen den Rahmen ab, innerhalb dessen die Universitäten operieren. Wer sich der internen Struktur der Universitäten nicht anpaßt, sie nicht in dem für eine reibungsfreie Arbeit innerhalb des Systems notwendigen Maß akzeptiert und internalisiert, wird im Verlauf von Erziehung und Ausbildung mehr und mehr aus dem System hinausgedrängt, ein Prozeß, der letztlich schon im Kindergarten beginnt und dann ununterbrochen weitergeht. Es gibt alle möglichen Arten von Filtermechanismen, um Leute loszuwerden, die sich querstellen und unabhängig denken. Jeder, der auf dem College war, weiß, wie sehr das Erziehungssystem auf die Belohnung von Konformität und Gehorsam ausgelegt ist: Wer sich nicht anpaßt, ist eben ein Quertreiber. Und aufgrund des Wirkens dieser Filtermechanismen bleiben schließlich Leute übrig, die in aller Aufrichtigkeit ein System von Überzeugungen und Meinungen übernehmen, das den Interessen der gesellschaftlich Mächtigen, mit denen sie zu tun haben, entspricht. Sie brauchen nicht zu lügen, weil sie selbst daran glauben. Eliteinstitutionen wie zum Beispiel Harvard und Prineeton und die kleinen Colleges mit Universitätscharakter legen großen Wert auf Sozialisation. In einer Institution wie Harvard geht es zum größten Teil darum, die richtigen Manieren zu lernen: wie man sich als Mitglied der Oberschicht zu verhalten hat, wie man in seinem Denken nicht vom richtigen Weg abweicht und so weiter.
Mitte der vierziger Jahre schrieb George Orwell als Satire auf einen totalitären Staat, nämlich die Sowjetunion, seinen Roman Animal Farm, der damals ein großer Erfolg war. Alle Welt war begeistert. Später stellte sich heraus, daß er eine Einleitung zu Animal Farm geschrieben hatte, die aber nicht gedruckt wurde. Sie erschien erst dreißig Jahre später, als sie in seinem Nachlaß gefunden wurde.Thema dieser Einleitung war die „Literarische Zensur in England“. Orwell sagt dort, daß er sich in seinem Buch natürlich über die Sowjetunion und ihre totalitäre Struktur lustig macht. Aber außerdem schreibt er auch, daß England sich gar nicht so sehr davon unterscheidet. Im Westen werden wir nicht auf Schritt und Tritt von einem KGB kontrolliert, aber das Resultat ist doch weitgehend dasselbe. Wer in seinem Denken zu unabhängig ist oder auf die falschen Gedanken kommt, bekommt keine Chance, seine Ideen zu verbreiten.
Außerdem macht er einige kurze Bemerkungen über die institutionelle Struktur der Medien. Er fragt: Wie kommt es zu dieser Art von Zensur? Ihm zufolge liegt das erstens daran, daß die Presse den Reichen gehört, denen es lieber ist, wenn bestimmte Dinge nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Zweitens, so Orwell, lernt man im Rahmen des Erziehungs- und Ausbildungssystems der Elite, zum Beispiel an renommierten Universitäten wie der von Oxford, daß es gewisse Dinge gibt, die man besser nicht erwähnt, daß es gewisse Gedanken gibt, die man besser nicht zuläßt. Damit meint er die sozialisierende Rolle der Eliteinstitutionen: Wenn man sich hier nicht anpaßt, hat man in der Regel schon verloren. Und mit diesen wenigen Bemerkungen ist das Wesentliche eigentlich schon gesagt.
Wenn man Medienkritik betreibt und sich zum Beispiel mit dem beschäftigt, was Anthony Lewis – oder irgend jemand anders – geschrieben hat, werden die jeweiligen Leute oft sehr wütend. Sie sagen dann ganz richtig: „Niemand sagt mir jemals, was ich zu schreiben habe. Ich schreibe alles, was ich will. Dieses ganze Geschwätz über Druck und Einschränkungen ist Unfug, weil keiner je irgendwelchen Druck auf mich ausübt.“ Und das ist völlig richtig, nur daß es hier um etwas ganz anderes geht,nämlich um die Tatsache, daß sie ihre Position gar nicht inne hätten, wenn sie nicht vorher schon unter Beweis gestellt hätten, daß niemand ihnen sagen muß, was sie schreiben sollen. Es ist längst klar, daß sie das genau wissen. Wenn sie sich als angehende Reporter für die verkehrte Art von Geschichten interessiert hätten, hätten sie es nie zu Positionen gebracht, in denen sie sagen können, was sie wollen. Dasselbe gilt weitgehend auch für die Universitätsdozenten in den stärker ideologisch gefärbten Fächern. Sie haben eine erfolgreiche Sozialisation hinter sich.
Als erstes sieht man sich also die Struktur des gesamten Systems an. Was erwartet man angesichts dieser Struktur als Resultat? Das ist eigentlich recht offensichtlich. Nehmen wir zum Beispiel die New York Times. Die New York Times ist ein Großunternehmen, das ein Produkt verkauft. Das Produkt sind die Leser. Das Unternehmen verdient sein Geld nicht mit dem Verkauf seiner Zeitung. Die Zeitung selbst wird sogar kostenlos ins Internet gesetzt. Tatsächlich verliert das Unternehmen beim Verkauf der Zeitung sogar Geld. Wie auch immer, die Leser sind das Produkt, und sie gehören genau wie die Leute, die die Zeitung machen, zu den höheren, privilegierten Schichten, denen, die in unserer Gesellschaft die Entscheidungen treffen. Für ein Produkt braucht man einen Markt, und dieser Markt sind natürlich die Werbekunden der Zeitung, mit anderen Worten, andere Wirtschaftsunternehmen. Das Produkt der Medien, ganz gleich, ob wir vom Fernsehen, den Zeitungen oder anderen Medien sprechen, ist immer das jeweilige Publikum. Unternehmen verkaufen ihr jeweiliges Publikum an andere Unternehmen. Und im Fall der Elitemedien handelt es sich dabei um Großunternehmen.
Mit was für einem Resultat ist also zu rechnen? Wie wird das Medienprodukt angesichts dieser Umstände aussehen? Was für Voraussagen würde man machen, wenn man den bisher zugrunde gelegten Annahmen keine weiteren hinzufügt, oder anders gesagt, was wäre eine vernünftige Nullhypothese? Die nächstliegende Vermutung wäre dann, daß das Medienprodukt, das heißt, die Auswahl dessen, was in den Medien vorkommt und wie es vorkommt, die Interessen der Käufer und der Verkäufer des Produkts sowie der Institutionen und Machtzentren, unter deren Einfluß sie stehen, widerspiegelt. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn das nicht der Fall wäre.
Danach kommt dann der aufwendige Teil der Arbeit. Stellen sich die gemachten Vorhersagen als richtig heraus? Das läßt sich mittlerweile überprüfen. Es liegt inzwischen eine Menge an Material zur Beurteilung der genannten naheliegenden Hypothese vor; sie ist den rigorosesten Tests unterzogen worden, die man sich denken kann, und hat sie in bemerkenswerter Weise bestanden. Man stößt in den Sozialwissenschaften fast nie auf Resultate, die eine bestimmte Vermutung derart stark unterstützen, aber das ist auch nicht sehr überraschend, da alles andere angesichts der in diesem Fall wirksamen Kräfte einem Wunder gleichkäme.
Als nächstes entdeckt man dann, daß das gesamte Thema vollkommen tabu ist. Wenn man zum Beispiel an der Kennedy School für Staatswissenschaft oder in Stanford Journalismus, Kommunikationswissenschaft oder Politik studiert, ist es kaum wahrscheinlich, daß man mit diesen Fragen konfrontiert wird. Das heißt, genau die Hypothese, auf die jeder, ohne überhaupt etwas über das Thema zu wissen, von sich aus kommen würde, kann dort nicht einmal in Erwägung gezogen werden, und es ist unmöglich, das Beweismaterial, das für sie spricht, zu diskutieren. Leider ist auch das genau das, was man erwarten würde. Angesichts der Struktur dieser Institutionen ist leicht vorherzusehen, daß es so laufen wird. Warum sollte es Leuten, die aktiver Bestandteil dieser Strukturen sind, gefallen, wenn ihre Rolle innerhalb dieser Strukturen sichtbar gemacht wird? Warum sollten sie eine kritische Analyse ihrer Vorstellungen und Ziele dulden? Es gibt keinen Grund, warum sie etwas derartiges zulassen sollten, und sie tun es auch nicht. Auch in diesem Fall handelt es sich nicht um absichtliche Zensur, sondern darum, daß diese Leute gar nicht erst in ihre Positionen gelangen würden, wenn sie nicht von dem überzeugt wären, was sie tun. Und das gilt für die sogenannte Linke ebenso wie für die Rechte. Um es in diesem System zu etwas bringen zu können, muß man die richtige Sozialisation und Erziehung genossen haben, die dann falschen Gedanken und Ideen einen Riegel vorschieben. Wir können folglich aufgrund unserer Überlegungen eine zweite Prognose aufstellen, nämlich die, daß unsere erste Prognose innerhalb der bestehenden ideologischen Institutionen nicht diskutiert werden kann.
Schließlich müssen wir uns noch das doktrinäre Rüstzeug ansehen, mit dem die für das Funktionieren dieses Systems Verantwortlichen operieren. Kommt in dem, was die Topmanager des Informationssystems (der Medien, der Werbeindustrie, der politischen Wissenschaft usw.) sagen, wenn sie zu ihresgleichen sprechen, eine Vorstellung darüber zum Ausdruck, wie das System funktionieren sollte? In der Öffentlichkeit, bei akademischen Feiern und dergleichen mehr ist natürlich immer von allen möglichen wunderbaren Dingen die Rede. Aber was sagen diese Leute über die Aufgaben des Informationssystems, wenn sie unter sich sind?
Es gibt hier drei wichtige Bestandteile des Systems, die man sich ansehen sollte. Erstens haben wir die Public-Relations- Industrie, das heißt, die Propagandamaschine der Geschäftswelt. Was sagen also die Topmanager der PR-Industrie? Zweitens sollten wir uns ansehen, was die sogenannten „in der Offentlichkeit stehenden“ Intellektuellen, die großen Denker, die Verfasser der Meinungsseiten in den Zeitungen sagen – all die Leute, die hochbedeutende Bücher über das Wesen der Demokratie und ähnliches mehr schreiben? Als Drittes sollte man den akademischen Bereich untersuchen, besonders diejenigen Aspekte der Kommunikations- und Informationswissenschaften, die schon seit etwa 70 bis 80 Jahren integraler Bestandteil der Politikwissenschaft sind.
Das sind also drei Bereiche, in denen man einmal darauf achten sollte, was ihre Vertreter so von sich geben und sich ansehen kann, was die führenden Leute geschrieben haben. Wie sich herausstellt, sagen die wichtigen Leute in diesen Bereichen alle im wesentlichen das gleiche (ich zitiere im folgenden zum Teil wörtlichlich): Bei der Masse der Bevölkerung handelt es sich nur um „unwissende und lästige Außenseiter“, die man aus der öffentlichen Arena heraus halten muß, weil sie zu dumm sind und nur Schwirigkeiten machen würden, wenn sie sich daran beteiligten. Die gewöhnlichen Leute sollen „Zuschauer“ nicht „Teilnehmer“ sein.
Sie dürfen alle paar Jahre wählen gehen und ihre Stimme für jemanden von uns, jemanden aus der dafür qualifizierten Schicht abgeben. Aber dann sollen sie wieder nach Hause gehen und sich mit etwas anderem beschäftigen. Mit der Baseball-Liga oder was auch immer. Hauptsache, die „unwissenden und lästigen Außenseiter“ bleiben passive Beobachter, statt selbst am politischen Geschehen teilzunehmen. Die Mitspieler im System dagegen sind sogenannte „Verantwortungsträger“ und auch der jeweilige Autor gehört natürlich immer zu dieser Gruppe. Die Frage, weshalb er selbst zu den „Verantwortungsträgern“ gehört, während ein anderer im Gefängnis sitzt, kommt ihm nicht in den Sinn. Dabei ist die Antwort ziemlich einfach. Er gehört dazu, weil er gehorsam ist und sich der Macht unterordnet, während derjenige im Gefängnis sich vermutlich auf die ein oder andere Art geweigert hat, sich zu fügen. Aber solche Fragen stellt man sich in so einer Position natürlich nicht. Also haben wir einerseits die qualifizierte Schicht derer, die dazu berufen sind, das Heft in der Hand zu halten, und dann noch den Rest, der von der Verwaltung der Dinge ausgeschlossen ist. Außerdem sollten wir uns nicht – und jetzt zitiere ich wieder aus einem akademischen Essay zu diesem Thema – auf das „demokratische Dogma“ versteifen, „nach dem die Menschen ihre Interessen selbst am besten beurteilen können“. Dem ist keineswegs so: in Wirklichkeit sind sie absolut unfähig dazu, und daher erweisen wir sowohl ihnen als auch der Gesellschaft einen großen Dienst, wenn wir das für sie übernehmen.
Tatsächlich gibt es hier eine starke Ähnlichkeit mit dem Leninismus. Wir handeln an deiner Stelle, im gemeinsamen Interesse aller usw. Das ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, weshalb sich im Verlauf der Geschichte viele Leute relativ problemlos aus glühenden Stalinisten in überzeugte Unterstützer des Machtanspruchs der USA verwandelt haben. Dabei erfolgt der Wechsel von der einen Position zur anderen oft sehr rasch, und ich denke, daß das ganz einfach daran liegt, das beide Positionen im großen und ganzen auf dasselbe hinauslaufen. Eigentlich verändert sich nur die Einschätzung darüber, welche Haltung einen der Teilhabe an der Macht näherbringt. Erst setzt man auf das eine, dann auf das andere Pferd, aber das Ziel, das man selbst damit anstrebt, ändert sich nicht.
Wie hat sich diese Art von Ideen zu ihrer heutigen Form entwickelt? Das ist eine interessante Geschichte – sie hat viel mit dem Ersten Weltkrieg zu tun, der in vielerlei Hinsicht zu einschneidenden Veränderungen führte. Er brachte einen beträchtlichen Wandel in der Position der Vereinigten Staaten in der Welt mit sich. Schon im 18. Jahrhundert waren die USA die reichste Region der Welt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts kam nicht einmal die britische Oberschicht an den US-amerikanischen Standard hinsichtlich Lebensqualität, Gesundheit und Lebenserwartung heran (von dem die übrige Welt ohnehin nur träumen konnte). Die USA waren enorm reich, verfügten über gewaltige Vorteile und waren schon Ende des 19. Jahrhunderts mit großem Abstand das wirtschaftlich bedeutendste Land der Welt. Aber als Weltmacht spielten sie noch keine große Rolle. Ihre Macht erstreckte sich damals auf die Karibik und Teile des Pazifik, aber nicht viel weiter.
Der Erste Weltkrieg brachte eine Veränderung dieser Beziehungen. Und im Zweiten Weltkrieg änderten sie sich noch mehr. Danach waren die Vereinigten Staaten mehr oder weniger Herrscher über die gesamte Welt. Aber schon nach dem Ersten Weltkrieg waren sie weitaus mächtiger als zuvor und verwandelten sich aus einem Schuldner- in ein Gläubigerland. An Großbritannien kamen sie noch nicht heran, aber damals begannen sie, weltweit eine wichtige Rolle zu spielen. Aber das war nicht die einzige Veränderung.
Im Ersten Weltkrieg gab es zum erstenmal eine hochorganisierte staatliche Propaganda. Die Briten richteten ein Informationsministerium ein. Das war auch eine dringliche Notwendigkeit, denn Großbritannien war darauf angewiesen, die USA in den Krieg hineinzuziehen, da es ohne den Kriegseintritt der USA in große Schwierigkeiten geraten wäre. Das Informationsministerium beschäftigte sich hauptsächlich mit der Verbreitung von Propaganda, nicht zuletzt mit der Fabrikation einer Flut von Fälschungen über Greueltaten der „Hunnen“ und ähnlichen Projekten. Eine der Hauptzielscheiben dieser Propaganda waren die amerikanischen Intellektuellen. Dem lag die durchaus vernünftige Annahme zugrunde, diese würden am leichtgläubigsten sein und am ehesten auf die Propaganda hereinfallen. Ihnen war zugleich die Aufgabe zugedacht, die Propaganda über die ihnen in Amerika zur Verfügung stehenden Kanäle weiterzuverbreiten. Dementsprechend war die Arbeit des Informationsministeriums hauptsächlich auf die amerikanischen Intellektuellen abgestimmt, und diese Strategie funktionierte ausgezeichnet. Ein Großteil der Dokumente des Ministeriums ist inzwischen öffentlich zugänglich, und die Dokumente zeigen, daß diese Kampagne das bescheidene Ziel verfolgte, das Denken der ganzen Welt zu kontrollieren – vor allem aber das der USA. Was man in Indien dachte, spielte demgegenüber natürlich keine sonderlich große Rolle. Das Informationsministerium war sehr erfolgreich darin, prominente amerikanische Intellektuelle hinters Licht zu führen und dazu zu bringen, die Fälschungen der britischen Propaganda zu akzeptieren. Die Briten waren damals sehr stolz auf diesen Erfolg, und das nicht von ungefähr, denn so konnten sie eine Niederlage Großbritanniens abwenden, das den Ersten Weltkrieg ohne den Kriegseintritt der USA verloren hätte.
Zur selben Zeit wurde in den USA ein Gegenstück zum britischen Informationsministerium geschaffen. 1916 wurde Woodrow Wilson auf der Grundlage eines Anti-Kriegs-Programms zum Präsidenten gewählt. Die Stimmung in den USA war sehr pazifistisch. Das hat in den USA eine lange Tradition. Die Leute wollen keine Kriege in anderen Ländern führen. Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurde heftig abgelehnt, und Wilson wurde aufgrund seiner Stellungnahme gegen den Krieg gewählt. Er war mit dem Slogan „Frieden ohne Sieg“ zur Wahl angetreten. Aber er strebte von Anfang an eine Beteiligung am Krieg an. Daraus ergab sich das Problem, eine pazifistisch gestimmte Bevölkerung in lauter verrückte antideutsche Fanatiker zu verwandeln, die am liebsten alle Deutschen umgebracht hätten. So etwas geht nicht ohne Propaganda, und so gründete die Regierung die erste – und im übrigen auch einzige – große staatliche Propagandainstitution der US-Geschichte. Sie hieß offiziell „Komitee zur Information der Öffentlichkeit“ und wurde auch die „Creel-Kammission“ genannt. Ihre Aufgabe bestand darin, durch die Verbreitung von Propaganda eine hurrapatriotische Hysterie in der Bevölkerung auszulösen. Das Ganze war ein unglaublicher Erfolg. Binnen weniger Monate herrschte eine hemmungslose Kriegshysterie, und dem Kriegseintritt der USA stand kein Hindernis mehr entgegen.
Von dieser Leistung waren viele Leute höchst beeindruckt. Einer davon war Hitler, was später seine Folgen haben sollte. In Mein Kampf zieht er den nicht ganz unberechtigten Schluß, Deutschland sei im Ersten Weltkrieg besiegt worden, weil es den Propagandakrieg verloren habe. Deutschland konnte mit der britischen und amerikanischen Propaganda, die sich als vollkommen übermächtig erwies, nicht einmal ansatzweise mithalten. Hitler kündigte an, beim nächsten Mal werde Deutschland seine eigene Propagandamaschinerie haben, und so war es im Zweiten Weltkrieg dann auch. Für uns heute von noch größerer Bedeutung ist der tiefe Eindruck, den diese britische Propagandaanstrengung auf die amerikanische Geschäftswelt machte, die damals vor einigen Problemen stand: Es gab zumindest formal mehr demokratische Rechte als früher, der Kreis der Wahlberechtigten war erweitert worden, das Land wurde reicher, mehr Menschen hatten die Möglichkeit, am System teilzunehmen, es gab viele neue Einwanderer und so weiter.
Was sollten die herrschenden Schichten angesichts dieser Entwicklungen tun? Es war nun schwieriger, das Land wie einen Privatklub zu verwalten, Es war jetzt viel wichtiger als früher, zu kontrollieren, was die Leute denken. Public-Relations-Spezialisten hatte es zwar schon hier und da gegeben, aber die PR-Industrie, wie wir sie kennen, gab es noch nicht. Unternehmen wie Rockefeller stellten vielleicht Leute ein, um das Image der Firma aufzupolieren, aber die riesenhafte moderne PR-Industrie in ihren gigantischen heutigen Dimensionen wurde erst damals in den USA erfunden und war ein direktes Resultat des Ersten Weltkriegs. Führend in der PR-Industrie waren Leute, die sich schon an der Creel-Kommission beteiligt hatten. Die bedeutendste dieser Figuren, Edward Bernays, stützte sich in seiner Tätigkeit direkt auf die Erfahrungen aus der Creel- Kommission. Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb er ein Buch mit dem Titel Propaganda. Der Ausdruck „Propaganda“ hatte damals übrigens noch keinen negativen Beigeschmack. Er wurde erst im Zweiten Weltkrieg zum Tabu, da er mit Deutschland und somit dem Feind in Verbindung gebracht wurde. Aber davor bedeutete „Propaganda“ nichts weiter als so etwas wie „Information“. 1925 kam also Bernays‘ Buch Propaganda heraus, und gleich zu Anfang heißt es dort, das Buch mache sich die Lehren des Ersten Weltkriegs zunutze. Bernays schrieb, das Propagandasystem des Ersten Weltkriegs und die Creel-Koonmission, an der er beteiligt gewesen war, hätten gezeigt, daß man „das Denken der Öffentlichkeit ganz genauso dirigieren“ kann „wie eine Armee die Körper ihrer Männer dirigiert“. Diese neuen Techniken der Reglementierung des Geistes sollten, wie er schrieb, von intelligenten Minderheiten genutzt werden, um dafür zu sorgen, daß der Pöbel nicht auf falsche Gedanken kommt . Mittels der neuen Techniken der Gedankenkontrolle sei dies jetzt ohne weiteres möglich.
Dieses Buch ist das grundlegende Werk der Public-Relations- Industrie, und Bernays ist so etwas wie ihr Prophet. Er war ein authentischer Liberaler im Stil Roosevelts oder der Kennedys. Er koordinierte unter anderem die PR-Anstrengungen zugunsten des von den USA unterstützten Putsches, durch den 1954 die demokratisch gewählte Regierung Guatemalas gestürzt wurde.
Der große Coup, durch den er Ende der zwanziger Jahre wirklich berühmt wurde, war es, Frauen das Rauchen schmackhaft zu machen. Frauen rauchten damals im allgemeinen nicht, und Bernays dirigierte die große Werbekampagnen für Chesterfield Zigaretten. Die Methoden sind ja bekannt – Models und Filmstars mit Zigarette im Mund usw. Dafür heimste er enormes Lob ein. Er stieg zur führenden Figur der PR-Industrie auf, und sein Buch wurde gewissermaßen zur Bibel der Branche.
Ein weiteres Mitglied der Creel-Kommission war Walter Lippmann, der ein halbes Jahrhundert lang die angesehenste Figur des anspruchsvollen amerikanischen Journalismus war. Neben seiner journalistischen Tätigkeit schrieb er Essays über die Demokratie, die zumindest damals, in den zwanziger Jahren, als „progressiv“ galten. In diesen Essays sprach auch er sich explizit dafür aus, die Erfahrungen anzuwenden, die mit Propaganda gesammelt worden waren. Er sagte, die Demokratie habe eine neue Kunst hervorgebracht, die er selbst die „Fabrikation von Konsens“ nannte. Edward Herman und ich haben diesen Ausdruck für den Titel unseres Buches geborgt, aber geprägt wurde er von Lippmann. Ihm zufolge gibt es jetzt diese neue Kunst demokratischen Regierens, nämlich die „Fabrikation von Konsens“. Durch die Fabrikation von Konsens kann man die Tatsache neutralisieren, daß viele Menschen ein formales Wahlrecht genießen. Die politischen Führer können letzterem jede Bedeutung nehmen, da sie ja in der Lage sind, Konsens zu fabrizieren und so die Wahlmöglichkeiten und Einstellungen der Menschen derart zu beschränken, daß sie letztlich immer nur gehorsam tun werden, was man ihnen sagt, obwohl sie formal, z. B. über die Wahlen, selbst am System teilhaben. So sieht laut Lippmann eine echte Demokratie aus, die funktioniert, wie es sich gehört. Das ist die Lehre, die er aus den bisherigen Erfahrungen mit Propaganda zieht.
Auf dieselben Erfahrungen stützt sich auch die akademische Sozial- und Politikwissenschaft. Der Begründer der kommunikationstheoretisch orientierten Politikwissenschaft war Harold Lasswell. Sein wichtigstes Werk ist eine Studie über Propaganda in der Encyclopedia of Social Sciences. Darin sagt er ganz offen genau die Dinge, die ich vorhin zitiert habe, wie zum Beispiel, daß man sich nicht auf demokratische Dogmen versteifen dürfe. Postulate wie diese entstammen der akademischen Politikwissenschaft, wie sie von Lasswell und anderen konzipiert wurde. Auch in dieser Hinsicht wurden die Lehren aus den Erfahrungen der Kriegszeit gezogen, und zwar nicht nur in der politischen Wissenschaft, sondern auch von den politischen Parteien, besonders der Konservativen Partei in England. Deren Dokumente aus dieser Zeit, die derzeit gerade veröffentlicht werden, zeigen, daß die Konservativen die Leistung des britischen Informationsministenums sehr zu schätzen wußten. Ihnen war klar, daß England sich auf eine Demokratie zubewegte und nicht mehr wie früher ein Klub von Privatleuten sein würde. Daraus zogen sie den Schluß, daß Politik zur – wie sie es ausdrückten – politischen Kriegführungwerden müsse, bei der man die Propagandamechanismen anwenden sollte, die schon im Ersten Weltkrieg so gute Dienste bei der Kontrolle des Denkens der Bevölkerung geleistet hatten.
Das ist die ideologische Seite der Sache, über die wir hier sprechen, und sie weist in dieselbe Richtung wie die institutionelle Struktur. Sie stützt unsere bisherigen Voraussagen darüber, wie das Ganze funktionieren sollte. Und die Korrektkeit dieser Vorhersagen ist gut dokumentiert. Aber auch die ideologischen Grundlagen unseres Informationssystems dürfen nicht diskutiert werden. Das alles taucht zwar in der Standardliteratur zum Thema auf, ist aber nur für die Insider bestimmt. Die klassischen Werke darüber, wie man das Denken der Menschen kontrolliert, stehen auf dem College nicht auf dem Lehrplan.
Genauso wenig, wie auf dem Lehrplan steht, was James Madison während der verfassunggebenden Versammlung schrieb, nämlich, daß das neue System zum Hauptziel haben müsse, „die Minderheit der Begüterten gegen die Mehrheit zu schützen“, und daher so gestaltet werden müsse, daß es dieses Ziel erreichen kann. Hier geht es um die Grundlagen des verfassungsmäßigen Systems, und niemand setzt sich damit auseinander. Man findet diese Äußerungen nicht einmal in der wissenschaftlichen Literatur, wenn man nicht wirklich intensiv danach sucht.
Das ist im großen und ganzen das Bild, das ich von der institutionellen Struktur unseres „freien“ Mediensystems, von den dahinterstehenden Doktrinen und seinem Endprodukt habe. Ein weiterer Teil des Systems richtet sich an die „unwissenden, lästigen“ Außenseiter. Dabei geht es hauptsächlich darum, auf die ein oder andere Art von den wirklich wichtigen Themen abzulenken. Von daher läßt sich leicht vorhersagen, was das wahrscheinliche Ergebnis ist.
Aus dem Buch „Die politische Ökonomie der Menschenrechte“. Mit freundlicher Genehmigung des Trotzdem Verlags
Originalartikel: What Makes Mainstream Media Mainstream